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108 Psychische Studien. XI. Jahrg. & Heft. (März 1884.)
die herrschenden wissenschaftliehen Doctrinen haben häufig
einen hohen Grad theoretischer Unduldsamkeit an den
Tag gelegt, und wenn sie auch niemals so weit gingen, die
Ketzer zu verbrennen, welche Thatsachen behaupteten, die
ihrer vorgefassten Meinung widersprachen, so sündigten sie
doch nur allzuoft dadurch, das sie jeden Widerspruch für
absurd erklärten und den Zweifler dem öffentlichen Gelächter
preisgaben. "Wir erinnern nur daran, dass noch zu Ende
des vorigen Jahrhunderts die Meteorsteine geleugnet und
Diejenigen für verrückt gehalten wurden, die auf den Gedanken
geriethen, man habe es da mit Gebilden zu thun,
die aus dem leeren Weltraum auf die Erde gerathen seien.
Man behauptete schlechthin, dass dies „unmöglich" sei, dass
es mit den Gesetzen der Wissenschaft in Wfderspruch stehe,
und daraus folgte ganz von selbst, dass Jedermann, der trotzdem
eine solche mit den Gesetzen der Wissenschaft in
Widerspruch stehende Thatsache glauben wolle, nicht recht
bei Sinnen sei, keinesfalls aber Anspruch auf wissenschaftliche
Bildung oder auch nur Zurechnungsfähigkeit erheben
könne. Aehnlich aber ging es noch mit einer ganzen Reihe
von Thatsachen. Unsere Schulgelehrsamkeit ist mit dem
Worte „unmöglich" und „den Naturgesetzen widersprechend"
allzu rasch bei der Hand. Wenn man näher zusieht, stellt
sich in der Regel heraus, dass diese angebliche Unmöglichkeit
nichts Anderes sei als Unerklärlichkeit, der behauptete
Zwiespalt mit den Naturgesetzen nichts Anderes als
die ünkenntniss jener Gesetze, durch welche sich eine gegebe
ae Thatsache erklären Hesse.
Es scheint nun, dass jenen Erscheinungen, auf die sich
der Spiritismus beruft, nämlich dem Fernsehen, dem Tischrücken
, dem Geisterklopfen und wie der ganze Apparat
dieses Spukes heissen mag, wirkliche Thatsachen
zu Grunde liegen, die sich zum Theil nach unseren heutigen
Kenntnissen nr ht recht erklären lassen. Täuschungen und
Irrthümer sind mit diesen Thatsachen vermengt, aber es
könnte nicht allzu schwer gelingen, das Wahre vom Falschen
zu sondern, wenn eben nicht der Uebelstand vorwalten
würde, dass die orthodoxe Wissenschaft auf Untersuchungen
solcher Thatsachen gar nicht näher eingehen will,
sondern sich damit begnügt, sie schlechthin zu leugnen.
Das hat nun zur Folge, dass Personen, die, zufällig oder
durch Forschertrieb gedrängt, die unumstössliche TÜberzeugung
von der Wesenheit einzelner dieser Erscheinungen
erlangen, nur allzu leicht auf den Abweg gerathen, kritiklos
Alles oder doch das Meiste für wahr zu halten, was diesbezüglich
im Gegensatze zur herrschenden Schulansicht be-
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