http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1884/0129
gänge unwillkürliche Missgriffe geschehen wären? Wir erinnern
hier nur an den ebenso genialen wie unglücklichen
schlesischen Dichter Johann Christian €Hinther9 den Herold
unserer klassischen Periode, einen getreuen Anhänger seines
österreichischen Kaiserhauses, den gefeierten Sänger der
Heldenthaten des Prinzen Engen von Savoyen nach dem
Frieden von Passarowitz, welcher eins der beklagenswerthesten
Opfer eines solchen Irrthums geworden ist. Im Jahre 1719
bewirbt er sich unter Fürsprache des berühmten Rektors
Magnificus Mencke in Leipzig um die offengewordene Hofpoetenstellung
am Hofe König Augusts des Starken in
Dresden. Arm, in höchst bedrängten Umständen, von
schwerer Krankheit geschwächt und von den Sorgen um
den drohenden Verlust seiner heissgeliebten Leipziger Leonore
erfüllt, deren Namen er durch seine Lieder unsterblich gemacht
hat, steht er eines Tages in der bewilligten Audienz
vor dem Könige, dem zweiten Apollo seines Zeitalters, und
fühlt sich plötzlich von der Majestät desselben so geblendet,
dass er die Sprache verliert, stottert und in Ohnmacht sinkt.
Weil ihm ein Aufwärter zuvor ein paar Glas Wein eingeschenkt
, um ihn für seinen schweren Gang zu befeuern, da
er den König poetisch anreden sollte, sagt nun alle Welt,
und selbst der König glaubt es, Günther sei sinnlos betrunken
gewesen! Und König August Hess ihn als Hofpoeten fallen
— und alle Litteraturgeschichten haben seit 150 Jahren
ihren Stab über den armen Günther gebrochen. Dem Schreiber
dieses, der ein Sohn derselben Vaterstadt dieses unglücklichen
Dichters ist, ist es endlich geglückt, die wahre
Erklärung für Günther's seltsamen und aller Welt bisher unbekannten
Zustand zu geben und sein Leben, an der Hand
neu entdeckter und als echt erwiesener Dichtungen Günther's,
welche seine erbitterten Gegner für untergeschoben erklärt
hatten, weil sie seine sie vernichtende Selbstvertheidigung
enthielten, von einem schimpflichen Makel zu befreien.
Günther war in den erst durch Hansen unserem Zeitalter
wieder vorgeführten hypnotischen Zustand gerathen, in welchem
der Mensch die verkehrtesten Dinge zu thun pflegt
und geistig ganz anders funktionirt als in wachem und be-
wusstem Zustande. Die Beweise für meine Behauptung habe
ich in meinen „Neuen Entdeckungen zur Biographie
Günther's (1695—1723), Striegau, A. Soffmann,
1881", in umfassendster Weise niedergelegt.
Liegt uns jetzt die gerechtfertigte Vermuthung nicht
viel näher, dass auch das Medium BaStian in einer ähnlichen
Lage unbewussten hypnotischen Thuns sich befunden,
als dass er bloss ein raffinirter Schwindler und Betrüger sei?
i
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1884/0129