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160 Psychische Studien. XL Jahrg. 4. Heft. (April 1884.)
Geist der dort so beliebten und am 3. Februar er. gestorbenen
Josephine Gallmeyer erhob sich plötzlich zu Beginn
der Fastenzeit am Aschermittwoch wehmüthig und
traurig im Fastengewande und seufzte: „Aus is!"
Ja, was ist denn aus? Nun, das Lustspiel, das sie
ihren lieben Wienern so oft vorgeführt hat, — sie, die wie
im Handumdrehen eine andre war, die ihre Mienen in
solcher Gewalt hatte und alle deutschen Dialekte so meisterhaft
nachahmte, dass sie die Zuschauer willkürlich nacheinander
zum Lachen und zum Weinen bringen konnte, —
eine echte geistbegnadete Künstlerin — ein Spiegel ihrer
Zeit — ein wahres Medium! Sie konnte allein, was Millionen
nicht konnten, aber wenigstens gemeinsam verstanden
und zu würdigen wussten, weil sie eben an die in aller
Welt gleichmässig schlummernden komischen und humoristischen
Gefühlsempfindungen appellirte, weil diese Welt sich
mit letzteren in einer solchen kindlichen Urgemüthlich-
keit zusammen wohlfühlt, dass ein Bäuerle seine „Aline"
unter allgemeinem Beifallssturm auch der Nichtwiener
singen lassen konnte: — „'s gibt mir an Kaiserstadt, ?s
gibt nur a Wien!" — Aber ist es darum mit der Gallmeyer
geistig absolut aus, weil sie leiblich nicht mehr spielt; oder
ist es auch so aus, wo es Medien giebt, welche noch nicht
alle Welt versteht, Medien, welche sich in einer noch etwas
höheren Geometrie und Algebra oder Gefühls-, Denk- und
Willens-Welt bewegen?
Und dieses Wien hat einen Bansen und einen Bastian
mit ihren vermeintlichen Helfershelfern entlarvt! Und mit
welchem Effect! Die Masse hat ihren Jux, die Denkenden
aber haben ihre eigenen Gedanken dabei gewonnen. Und
das wäre kein Gewinn?! Denken wir einmal nach — revi-
diren wir den Prozess ein klein wenig durch. Es wird ja
wohl auch in Wien oder anderswo noch zwei höhere als
bloss eine erste Instanz geben.
Mit allem gebührenden Respect nähern wir uns dem
hohen Richterstuhl der ersten Instanz, dessen Vorsitzender
ein Kronprinz, dessen erster Staatsanwalt ein Erzherzog,
dessen Vertheidiger ein Baron und dessen ßeisitzende
Fürstlichkeiten und hohe Militairs sind. Wir fühlen die
ganze Wucht eines Richterspruches von solchen Männern.
Der Telegraph hat ihn der ganzen Welt übermittelt — er
lautet: „Die mediumistischen Phänomene Bastian's und der
mit ihnen verknüpfte Spiritismus sind nachgewiesener
Schwindel und Betrug!"
Aber hat der Verurtheilte die That seines Vergehens
selbst eingestanden? — Nein! — Folglich ist er auf In-
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