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192 Psychische Studien. XL Jahrg. 4. Heft. (April 1884.)
Symbole? Mohammed erhält seine Offenbarungen Allatis
durch den Engel Gabriel, von dessen einem Auge zum andern
ein Weg von 70 000 Tagereisen sei! Mohammed selbst ist
ein Medium. Er gab, über seine Offenbarungen befragt,
zur Antwort: „Manchmal erscheint mir ein Engel in Mädchengestalt
und spricht mit mir; manchmal vernehme ich Töne,
wie von einer Schelle oder Glocke, da wird es mir sehr
arg; wenn der unsichtbare Engel mich dann verlässt, habe
ich aufgenommen, was er mir offenbart" Andere Offenbarungen
empfing er im Traume, wieder andere legte ihm
Gott nach eigenem Nachdenken in sein Herz. Ueber die
Verbindung somnambuler Zufälle mit den Offenbarungen
stammt von Äischa, seiner späteren Frau, die Tradition:
der Prophet ward ungeheuer schwer, so oft ihm der Engel
erschien; bei der grössten Kälte strömte der Schweiss von
seiner Stirn, seine Augen wurden roth, und zuweilen brüllte
er wie ein junges Kameel. In seinem 40. Jahre hatte er
die erste Vision. Ist das kein Mediumismus voll sinnbildlicher
Formen?
Aber auch die uns schliesslich gegenüber „dem ganzen
abgeschmackten Bettel, den die Spiritisten Manifestationen
einer intelligiblen Welt" (S. 100) nennen, vom Herrn Erzherzog
empfohlene „alte Regula seines ehrwürdigen Glaubens,
worin alles gross, edel, alles rein und erhaben gedacht und
gelühlt sei" (S. 101), die katholische Mutterkirche, enstammt
derselben Quelle geistiger Visionen und Offenbarungen des
Auferstandenen von Maria Magdalena an bis Paulusl Und
wird Christus nicht täglich im Messopfer in einer Hostie
materialisirt und verkörpert? Wie wenn nun ein Häuptling
eines fremden Völkerstammes einen katholischen Missionar
um seines Glaubens willen, dass in der gesegneten Hostie
Christus mit Leib und Blut leibhaftig gegenwärtig sei, auf
Grund der sinnlichen Wahrnehmung, dass die Hostie noch
ebenso nach wie vor dem Segensspruche der Wandlung in
ihrer Natur ganz unverändert geblieben sei, für einen ganz
gewöhnlichen Schwindler und Betrüger erklären und aus
seinem Lande hinaustreiben wollte? Thäte er dies nicht
auf Grund derselben „ganz unbeschreiblichen Enttäuschung",
auf die „dürftige Verwirklichung phantastischer Vorstellungen
" hin, welche der Herr Erzherzog S. 74 den spiritistischen
Manifestationen zum Vorwurf macht? Was antwortet
uns die Kirche darauf? „Praestet fides supplementum sensuum
defectui!" — »Nur der Glaube kann gewähren, was der
Sinn nicht fassen kann!" — Und dieselbe Kirche verdankt
ihr höchstes Fest, das sie alljährlich feiert, lediglich einer
mediumistischen Thatsache! Der heiligen Juliana von Lüttich,
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