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266 Psychische Studien. XI. Jahrg. 6. Heft. (Jtmi 1884.)
selben statt und dürfte meiner Ansicht nach insoferne ein
automatisches zu nennen sein, als es nicht unter dem Einflüsse
des ja noch kaum entwickelten Willens, sondern
gewissermaassen unter der Wirkung eines physikalischen
Zwanges zu Stande kommt." —
Hieran knüpfte nun der Vortragende noch die Besprechung
anderer interessanter Beispiele, wie des automatischen
Nachsprechens zusammenhangloser Worte einer
beliebigen Sprache durch hypnotisirte Personen, der ansteckenden
Wirkung des Gähnens, der eigenthümlichen Einwirkung
des Marschtempos einer vorüberziehenden Truppe
auf den eigenen Gang etc., und erörterte schliesslich die
Möglichkeit, dass bereits jene electrischen Innervations-
Strömungen, welche die motorischen Innervationen der betreffenden
Muskeln beim Denken von Worten begleiten,
gleichartige Innervations-Strömungen in den correspondi-
renden Muskeln einer mit abnormer Reizbarkeit oder abnormer
Aufmerksamkeit unter gleichzeitiger Unterdrückung
alles eigenen Denkens begabten Person hervorrufen können,
womit das sogenannte Gedankenlesen thatsächlich eine physikalische
Erklärung finden würde. (Wiener Neue Freie
Presse vom 5. März 1884.)
7. Professor Benedikt über das „Gedankenlesen".
Professor Benedikt hielt in der gestrigen Sitzung der
k. k. Gesellschaft der Aerzte einen kurzen Vortrag über
das Gedankenlesen und die darüber von Professor Simony
aufgestellte Theorie, dessen wesentlichen Inhalt wir hier
mittheilen: „Es gibt Momente, in welchen an streng wissenschaftliche
Vereine die Pflicht herantritt, die öffentliche
Meinung zu belehren, wenn Irrlehren unter das Publicum
unter dem Scheine der Wissenschaftlichkeit oder unter
wissenschaftlicher Autorität geworfen werden. Sie wissen,
dass unter dem Schutze mehr oder minder interessanter
Taschenspielerstückchen eine metaphysische Irrlehre aufgestellt
wurde, welche anfangs nur die Sportkreise interessirte,
aber heute schon, zum Beispiel in Böhmen, als psychische
Volkskrankheit aufgetreten ist. Die Entlarvung der Spiritisten
durch geistreiche und hochgestellte Dilettanten hat
dieser Bewegung eine mächtige Hemmung bereitet. Diese
hemmende Bewegung trat aber wieder in's Stocken, als
unter dem Protectorate eines Vereines, der das Epitheton
wissenschaftlich trägt, von einem jungen, rhetorisch hochbegabten
Professor eine angeblich physikalisch und physiologisch
begründete Theorie für das „Gedankenlesen" auf-
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