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Maack: Ideen über den histor. Beweis einer Geisterwelt. 281
unbewusst an, so haben wir Allan Kardeds Fall, zu welch'
letzterem nun noch folgende Ueberlegung gehört. Sollte es
nicht denkbar und möglich sein, dass diese, wenn auch im
Tagleben nicht zur Erkenntniss gelangte (also unbewusste)
Idee in jenen eigenthümlichen und bis jetzt wissenschaftlich
noch unerklärten anormalen psychischen Zuständen des sogenannten
Trance, Statuvolismus u. a. dem Geiste bewusst
würde und zum Ausdruck käme? Mir wenigstens scheint
diese Annahme sehr plausibel. Haben dann die Medien
erst einmal diese Erklärungsweise gegeben, indem ihr
eigener Geist das ihnen zuvor Unbewusste durch einen
psychischen Akt zunächst Andern und nach Ablauf desselben
sich selbst bewusst machte, so wird natürlich diese
Erklärung für gleiche spätere Phänomene beibehalten. Diese
Transformation unbewusster Ideen in bewusste ist, wie die
spiritistische Litteratur zeigt, öfterer unabhängig von einander
geschehen, Somit verschmelzen die dem Wortlaut
nach conträren Ansichten von Cyriax und Kardec zu einer
einzigen im Glühtiegel der historischen Behandlung, in
welchem sie sich dann — wie gezeigt — als nicht existenzfähig
verflüchtigen.
Ich bin am Schluss meiner Betrachtungen, welche in
dieser Weise zusammen zu stellen mich einerseits zerstreute
Bemerkungen fremder Schriftsteller, wie namentlich Carl
du PreVsj *) veranlasst haben, und zu denen ich andererseits
durch eigenes Nachsinnen gelangt bin. Wenn auch im
Vorstehenden manche auf den ersten Blick heterogen erscheinende
Dinge berührt sind, bei denen ich mich bisweilen
ein wenig länger aufgehalten habe, so ergab dies das Thema,
und es wird hoffentlich jeder überall die Geschichte als das
perpetuum vestigium erkennen. Was ist nun das Ender-
gebniss dieser Untersuchungsreihen? Es ist dargethan die
Richtigkeit des vorangestellten Mottos: „alle Wahrheit ist
relativ", auf Grund dessen eine historische Wahrheit dis-
cutirt werden kann und hier speciell die von den Spiritisten
für ihre Lehre behauptete historische Wahrheit discutirt
worden ist; es ist gezeigt, dass wir für viele Dinge unser
Ignoramus zugeben müssen, aber keineswegs unser Ignora-
bimus: eröffnet demnach für den ersten Forscher eine freudige
Zukunft; ferner ist an historischen Beispielen erwiesen, dass
die Wissenschaft sich weder auf den Standpunkt Luthers
stellen darf, welcher zu keinem Buch weniger Vertrauen
*) Ich habe von Carl du Prel keine Citate angeführt, weil in den
Psych. Studien" im Mai-Heft 1883, pag. 236 ausführlicher auf ihn
ingewiesen ist. (Man sehe seine Schriften in der Bibliographie.)
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