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290 Psychische Studien. XL Jahrg. 6. Heft. (Juni 1884.)
„Auf diese Weise kann man z. B. die Frage beantworten
, mit welcher Wahrscheinlichkeit man am
nächsten Morgen die Wiederkehr des Tageslichtes
erwarten darf, nachdem dasselbe zufolge sicherer historischer
Nachrichten während 5000 Jahren regelmässig eingetreten ist.
Hagen, der sich dieses Beispiels in seiner Wahrscheinlichkeitsrechnung
bedient, bemerkt hierbei! — ,Diese Wahrscheinlichkeit
wird aber zur vollen Gewissheit, wenn man den
Zusammenhang der Erscheinung mit den Gesetzen
der Mechanik in's Auge fasst, wobei man sich
leicht überzeugt, dass nichts die Drehung der Erde plötzlich
hemmen kann.4*)
„Man sieht hieraus, dass ein inductiver Beweis nichts
weiter als die Wahrscheinlichkeit der Existenz eines
CausalVerhältnisses zu liefern im Stande ist, und dass
aus einem inductiv bewiesenen Satze nur solche
Erscheinungen mit grösserer oder geringerer
Wahrscheinlichkeit gefolgert werden können,
welche vollkommen gleichartig mit denjenigen
sind, aus denen jener Satz durch Verallgemeinerung abgeleitet
wurde.
„Dagegen enthält der deductive Beweis eines Satzes nicht
nur den Nachweis von der Existenz überhaupt,
sondern auch zugleich den vom Grunde der Existenz jener
causaJen Beziehung. Er gestattet deshalb auch noch
die Deduction neuer Erscheinungen, deren Qualität für
unsere Sinne vollkommen verschieden von der Qualität derjenigen
Erscheinungen sein kann, welche den Verstand
zuerst zum Nachdenken über jenes Gausalverhältniss veranlassten
. . .
„Mit demselben Kechte (wie die Weber'sehe „Theorie
der inducirten Ströme"**) könnte man die Newton'solie
*) H. Hagen: „Grundzüge der Wahrscheinlichkeits-Rechnung4'.
2. Aufl. (Berlin, 1867.) pag. 14.
**). „Bekanntlich sind nun aber die inducirten Ströme die Ursache
sehr zahlreicher und mannigfaltiger Erscheinungen", sagt Zöllner schon
1871 zur Vertheidigung seines Freundes Wilhelm Weber, der von Sir
William Thomson und Prof. P. G. Tait in deren „Handbuche der theoretischen
Physik." Autorisirte deutsche Uebersetzung von Dr. H. Helmholz
und G. Wertheim (Braunschweig 1871) heftig angegriffen worden
war. Die Wiener elektrische Ausstellung vom Jahre 1883 hat die Beweise
geliefert, zu welchen weltumgestaltenden Erfindungen eine richtig
verfolgte Theorie wie die Weber'sche zu leiten vermag. Vielleicht
wissen es manche unserer Leser noch nicht, dass wir Wilhelm Weber,
dem greisen Freunde Zöllners, die erste praktische Erfindung und Benutzung
des elektrischen Telegraphen verdanken.
Der Referent.
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