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Dr. C. Lechner über Ed. Jankowski's „Phänomenologie etc." 327
seits wahrscheinlich ist, dass die anormalen Sinnesbilder
mit normalen Wahrnehmungs-Acten nur dort verwechselt
werden können, wo erstere den letzteren an Charakterzeichen
gänzlich gleichkommen.
„Dieanormalen Sinnesbilder des Verfassers, wenn
wir auch nur einige aus der Menge herausgreifen wollen,
bezeugen es deutlich, dass die Sinnestäuschungen häufig, ihrer
wesentlichsten Charakterzeichen beraubt, ins Leben zu treten
pflegen, und somit der Qualität nach von den normalen
Wahrnehmungs-Arten sich auffallend unterscheiden können.
So sah Verfasser z. B. fast unmittelbar vor seinem Antlitz
ein ^pechschwarzes Gesicht" erscheinen, welches, trotz
seines schreckhaften Aussehens, sein Gemüthsleben „sonderbarer
Weise" — „völlig gleichgültig" Hess. Diese Wahrnehmung
entbehrte offenbar zweier wichtiger Charakterzeichen
der normalen Sinnesbilder. Erstens schien sie jeder
begleitenden Gemüthsempfindung baar zu sein, ohne welche
normale Wahrnehmungs - Acte überhaupt nicht existiren;
zweitens war sie in keinen bestimmten Kaum projicirbar,
da sie unmittelbar vor den Augen des Beobachters zu
hängen schien*). — Noch bestimmter gab sich letzterer
Mangel, nämlich der auf den Raum sich beziehenden Charakterzeichen
der Wahrnehmung, kund bei einem anderen
anormalen Sinnesbild des Verfassers, welches ein kreisförmig
von Fledermausflügeln umgebenes Brustbild eines Geiers
zeigte. Dies Bild lag räumlich „im Gesicht" des Verfassers,
in „einer vertikalen Ebene, welche hinter den Augen zu
denken ist", somit innerhalb des Körpers, konnte nach
Aussen nicht projiciirt werden, und war wahrscheinlich von
Organ-Empfindungen (Visceral-Empfindungen, Sensationen,)
die dem Kopfe entsprangen, begleitet. Es mangelte dieser
Wahrnehmung somit sicherlich an den, durch motorische
Vorstellungsbilder gegebenen, Signalen der Baumvorstellung
,**) während die die Gefühlsempfindungen vermittelnden
vasomotorischen Vorstellungsbilder, in Form eines Anflugs
von Schauder, zugegen waren.
Bei anderen anormalen Sinnesbildern des Verfassers
fehlte es hinwieder an den, auf die Realität des Wahr-
*) Die Vision erschien im gewöhnlichen Sehbereich; meine
„Phänomenologie", S. 45. — JarikowsM.
**) Eine räumliche Nuancirung (Signale) muss ein jedes Sinnesbild
haben, sonst müsste uns der Gegenstand (ob wirklich oder visionär)
als unräumlich erscheinen, was absolut unmöglich ist. Das wäre eine
Thatsache gegen alle Erfahrung. Selbst die Gedanken nehmen wir im
Kopfe wahr. Zudem ist ja die örtliche Lage des visionären Geiersbildes
genau angegeben \ meine „Phänomenologie" S. 46. —
Jankowsku
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