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328 Psychische Studien. XI. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1884.)
nehmungs-Reizes Bezug habenden Signalen. So schaute
derselbe z. JB. eine thurmhoche, Christum darstellende, Lehmgestalt
, welche „hinter den Rücken" des Beobachters reflec-
tirt wurde und ein „nebelhaftes Gepräge" hatte. Der Umstand
, dass dieses Gesicht hinter dem Rücken des Beschauers
erschien, also an einer Stelle im Raum, woher
normaler Weise Reizeinwirkungen auf den Gesichtssinn
nicht statthaben können, spricht nur dafür, dass die, zur
Raumvorstellung nothwendigen, motorischen Neben-Vor-
stellungsbilder, auch in diesem Falle zum Sinnesbild sehr
mangelhaft hinzu associirt waren, und dem zufolge letzteres
nicht regelrecht in den Raum projiciirt werden konnte,
sondern, am Wege der Reflexion, zu jenem irrthümlichen
Urtheilsschluss führte, wonach das zwar sichtbare, aber im
Raum vor den Augen nicht gegenwärtige, Bild seine Lo-
calisation nur hinter den Beobachter zu finden vermag.
Das Nebelhafte, Uebernatürliche an dem Gesichtsbilde hingegen
weist darauf hin, dass das, die Realität des Aussen-
reizes markirende, zweitwichtigste Charakterzeichen jeder
objectiven Vorstellung, nämlich die Masse derjenigen Organempfindungen
, welche stets dem reizempfangenden Organe,
in diesem Falle dem Auge, während dessen Function entspringt
, ins Bewusstsein diesmal nicht hinangehoben wurde.
Zur Beurtheilung der Realität jedes Wahrnehmungs-Gegenstandes
ist es aber unbedingt nothwendig, dass das Vorstellungsbild
desselben sich als ein von jenem Aussenreiz
Abhängiges erkennen lasse, welcher Aussenreiz, vom Gegenstand
der Wahrnehmung ausgehend, auf die Sinnesorgane
einwirkt. Dieses Abhängigkeitsverhältniss wird uns durch
die vom functionirenden Organ ins Bewusstsein strahlenden
und dort mit dem Sinnesbild gleichzeitig erscheinenden
Organempfindungen angezeigt Denn es steht ausser Zweifel,
dass wir von der realen Existenz der Dinge nur insolange
die nöthige Kenntniss besitzen, so lange wir desjenigen
Abhängigkeitsverhältnisses bewusst sind, welches zwischen
der Function unserer Sinnesorgane (Augen, Ohren etc.)
einerseits, und der Reizeinwirkung andererseits, besteht.
Sobald wir von der Function unserer Sinnesorgane keinerlei
Kenntniss besitzen, und dennoch in unser Bewusstsein sich,
den Wahrnehmungs-Acten fast gleichwerthige, Vorstellungsbilder
drängen, müssen wir dieselben für übernatürliche
erklären.
„Wir sehen somit, dass bei der letztgenannten Form von
Sinnestäuschungen des Verfassers hauptsächlich diejenigen
Neben-Vorstellungsbilder mangelhaft waren, welche
gewöhnlich als Vorstellungsbüder der Organempfmduogei*
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