http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1884/0353
*
Kurze Notizen. 34.5
geworden ist, nun aber jedenfalls der Armenversorgung
anheimfallen wird." — Bier ist offenbar nicht der „Spiritismus
" Ursache des Wahnsinns, sondern der Schuhmacher
trug schon Keime des Wahnsinns und der Unzufriedenheit
mit seinem Loose in sich, als er zur Spiritisten-Gemeinde
übertrat, deren Geister ihm natürlich materiell auch nicht
helfen konnten, was seinen lange stillgehegten melancholischen
Verzweiflungswahnsinn zum vollen Ausbruch brachte. Man
vergl. unsere kurze Notiz Seite 250 im Mai-Heft 1884.
n) „Zur Gesundheit!" ist eine inhaltsreiche Studie
über das Niesen und seine vermeintlich orakelhafte
Bedeutung seit dem hoben Alterthum, von H. Göll im
„Daheim" No. 42 v. 21. Juli J883. Schon Homer erwähnt,
dass Telemach der Sohn des so eben in Bettler Verkleidung
heimgekehrten Odysseus und der Penelopeia, dieser einen
so eben ausgesprochenen Wunsch, dass doch die Gewalttaten
der Freier gerächt würden, beniest habe. Auch
Äenophon berichtet einen ähnlichen Fall nach der unglücklichen
Schlacht bei Kunaxa. Bin Soldat habe bei der Be-
rathung über ihre Rettung plötzlich geniest. „Da aber
bezeigten die Soldaten sofort einmüthig durch Verbeugung
und Kusshand dem Gott ihre Verehrung, und Äenophon
sagte : 'Da uns, während wir von der Rettung sprachen,
ein Wahrzeichen des rettenden Zeus erschienen ist, so
schlage ich vor, demselben ein Dankopfer für die Rettung
zu geloben, das wir darbringen werden, sobald wir befreundetes
Land erreichen/ Auch Aristoteles habe die
Frage: „Warum finden wir im Niesen etwas Göttliches?'
dahin beantwortet, dass der Kopf des Menschen der ehrwürdigste
und heiligste Theil des ganzen Körpers sei und
deshalb im Niesen das Göttliche sich vorzüglich offenbare,
und zwar als gute Vorbedeutung. — Plutarch schreibt auch
dem Sokrates diesen Glauben zu. Cicero hingegen meint
in seinem Buche über die Weissagung, wenn man an die
ominöse Bedeutung zufällig fallender Worte glauben wollte,
so müsste man auch das Stolpern mit den Füssen, das
Zerreissen der Schuhriemen*) und das Niesen als Wahrzeichen
betrachten. Der ältere Plinius berichtet uns wirklich,
*) Eine „Physiognomik der Schuhe", welche noch über die Kunst
des Wahrsagens aus den Linien der Hand gehe und den Charakter
einer Person aus der Beschaffenheit des zerrissenen, ab- oder schiefgetretenen
Schuhwerkes genau bestimmen lassen, liefert uns die in
Leipzig erscheinende „Allgemeine Modenzeitung" Nr. 25 vom 16. Juni
1884, welche auch stets über die Fort- und Rückschritte des Spiritismus
ihre unterhaltenden Anekdoten bringt.
Oer Sekr. der Red.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1884/0353