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382 Psychische Studien. XI. Jahrg. 8. Heft. (August 1884.)
sein, weil sie sich selbst alsdogmatischeBehaup-
tungen ohne alle genügenden Beweise geben? Wir ahnen
wohl den eigentlichen Grund seiner geheimen Befürchtungen
, wissen aber zugleich, dass dieser eigentliche Grund
der grösste Irrthum ist, in den nur der römische Theologe,
nicht der wirkliche Naturforscher gerathen kann.
Der Theologe Fischer hat geargwöhnt, dass Zöllners Theorie
einer Urzeugung organischer Materie aus unorganischer der
krasseste Materialismus sei, den man sich denken könne.
Er hat sich die unorganische Materie nämlich nach scholastischer
, in leeren Abstractionen von der Wirklichkeit sich
bewegender Denkweise als vollkommen todt und unbeseelt
vorgestellt. Zöllners weitere Annahme, dass die Materie
nicht blos bewegt, sondern auch mit Empfindung und Be-
wusstsein begabt sei, hätte ihn sofort belehren müssen, dass
Zöllner eben eine ganz andere Vorstellung von der Materie
habe, als die scholastische Denkweise an die Hand giebt.
Die Scholastik gefällt sich in lauter Abstractionen, die
real-idealistische Philosophie in lebensvoller Vereinigung
alles Wirklichen. Wenn Zöllner an die generatio aequivoca
aus dem feurigen Urnebel aller Gestirnwelten hervor glaubt,
so geschieht dies darum, weil er schon in die Urmaterie
alle göttlichen Kräfte und Eigenschaften der Bewegung, des
Lebens, der Empfindung und der Intelligenz hinein verlegt,
welche der scholastische Theologe nur für seine abstracte
Gottheit als besondere Schöpfer- und Beseelungs-Kraft
von der alsdann an sich todten Materie abstrahirt hat.
Unter so bewaudten Umständen müssen sich Beide missverstehen
, wenn sie Beide von verschiedenen Voraussetzungen
ausgehen. Aber ist es nicht im Grunde genommen doch
ganz dasselbe, ob ich annehme, in der Materie bethätige
sich von allem Anfang an selbstordnerisch eine ihr inhärente
göttliche Kiraft, oder ob ich umgekehrt annehme, die
göttliche Kraft habe erst die Materie aus sich herausgesetzt
und sie allmählig zu denselben Erscheinungen durch besondere
Willensacte hervor entwickelt? Der Theolog
brauchte wahrlich gegen Zöllners Allkrafttheorie in der Materie
nicht so auf der Hut zu sein, als vielleicht vor der einseitigen
materialistischen Annahme, die an sich todte Stoffmasse
sei durch zufällige Bewegung in und durch einander
zu den Functionen des Lebens und Bewusstseins blindlings
gelangt ohne alle planmässige Vorausberechnung. Doch
wird man auch hier die Thatsachen des höchsten Bewusstseins
und der Intelligenz schliesslich gelten lassen müssen.
Dass übrigens Zöllner nicht allein dieser Ansicht ist, haben
wir bereits früher („Psych. Stud." 1883 S. 425 ff. u. 573 ff.) er-
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