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388 Psychische Studien. XI. Jahrg. 8. Heft. (August 1884.)
„Budapest, VI, Eugelsfeld, den 4. Jänner 1884.
„Sehr geehrter Herr!
„Mit Bezug auf Ihr werthes Schreiben vom 20. Dezbr.
1883, erlaube ich mir anruhend eine womöglich korrekte
Uebersetzung meiner ungarischen Kritik über Ihre „Phänomenologie
und Metaphysik der anormalen Sinnesbilder" einzusenden
, und nehme mir zugleich Gelegenheit, für Ihre
freundlichen Zeilen sowie Ihr vertrauenvolles Entgegenkommen
meinen besten Dank auszudrücken.
„Es freut mich ungemein, dass Sie der ersten, undeutlichen
Uebersetzung nicht sofort Glauben schenkten.*)
Zum Glück war dieselbe — für mich wenigstens — so unverständlich
, dass uns hiedurcb alle weiteren Oontroversen
und Erörterungen erspart blieben. Die ungarische Sprache
ist so weich und zart an Modulationen, dass schon ein einziger
Buchstabe im Worte den Sinn ganzer Sätze zu verändern
vermag. Aus diesem Grunde ist es äusserst schwierig,
selbst sprachgewandten Leuten, präcise Uebersetzungen zu
liefern, da die Sprache ausserdem auch in grammatikalischer
Hinsicht von der deutschen Sprache gar zu sehr verschieden
ist; und muss ich deshalb schon im Vorhinein erklären,
dass auch die beigelegte Mache noch so manche Mängel in
sich birgt. Das Kurze, Bündige der ungarischen Wortfügung
kann ins Deutsche nur vermittelst langer Sätze so
ausdrucksvoll wiedergegeben werden, wie es das Original
verlangt, wodurch natürlich stets die Treue der Uebersetzung
leiden muss.
„Was die Form meiner Kritik anbelangt, so muss ich
Sie vor Allem versichern, dass es mir niemals in den Sinn
kam, Ihr krankes Gemüth irgendwie schmerzhaft berühren
zu wollen. Erwähnung musste ich aber Ihrer Krankheit
insofern thun, als dies zum Verständniss des Werkes noth-
wendig war, da doch der gesammte Bau Ihrer Studien nur
auf erlebten krankhaften Erscheinungen basirte.
„Als Arzt und eifriger Kämpe auf der Bahn aller in-
ductiven Wissenschaften, war es mir selbstverständlich unmöglich
, meine Kritik auch auf Ihre metaphysischen Specu-
lationen auszudehnen. Nur dies war der Grund, weshalb
ich den metaphysischen Theil Ihres Werkes gänzlich unberücksichtigt
Hess und diesen Umstand zugleich den Lesern
der „ungarischen philosophischen Rundschau" kund zu geben
für noth wendig erachtete. — Midi interessirte einzig und
*) Dieselbe war von einem dieser psychologischen und psychiatrischen
Unterscheidungen wenig kundigen Freunde nur ganz oberflächlich
angefertigt, da ihm nicht einmal das besprochene Buch selbst bekannt
und zur Hand war. — Der Sekr. d. Eed.
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