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Kurze Notizen,
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Wickelung unter Umständen bewusst und so zu Elementen
des psychischen Lebens erhoben werden können, wird die
qualitative Verschiedenheit zwischen Leib und Seele, deren
Zusammenwirken und Wechselwirkung die Hauptschwierigkeit
der bisherigen Psychologie war, gewissermaassen aufgehoben
. — Hier ist der Punkt, an den auch Fortlage}s
psychologische Forschungen anknüpften. — {Moritz Brasch
über Karl Fortlage" s. vorhergehende Kurze Notiz.) — Auch
Prof. Fechner's Seelenanschauung scheint in dieser Lehre
zu wurzeln. Vgl. „Psych. Stud." Decbr.-Heft 1883. S. 572 ff.
e) Herbarts Herbeiziehung der Mathematik zur Stütze
der Psychologie weist Fortlage zurück. Umgekehrt müsse
die Mathematik bei der Psychologie in die Schule gehen,
wenn sie einen genauen Einblick in ihre Grundbegriffe
Raum, Zeit und Zahl gewinnen will, da diese in der Mathematik
wohl Grundbegriffe, in der Psychologie jedoch als
psychische Erzeugnisse anzusehen sind, welche in ihre einzelnen
Factoren zerlegt werden müssen. Dagegen hebt
Fortlage vielfach die verwandtschaftlichen Beziehungen seiner
Psychologie zur Erkenntnisstheorie des Kantianers Reinhold
hervor. Dieser habe das Erkennen der Aussenwelt nicht
bei einer blossen Receptivität sinnlicher Eindrücke anfangen
lassen, sondern habe nachgewiesen, dass es ein actives Ingredienz
sinnlicher Erkenntnisse giebt. welche jene Receptivität
durchweg begleitet, nämlich diejenigen, welche der
spontanen Bewegung unserer Glieder entsprechen
und hierdurch ein von Kant ausgelassenes Mittelglied zwischen
dem A priori und dem A posteriori unserer Erkenntnisse
bilden. „Denn ein jedes Glied projicirt, indem es sich ausstreckt
, sich selbst und folglich einen Raum, bringt aber
eben dadurch A posteriori seiner empirischen Existenz eine
Veränderung hervor. ♦ . Durch diese Aufweisung des
Uebergangsgliedes zwischen dem A priori und dem A
posteriori unserer Erkenntniss soll Reinhold den Weg zu
einer besseren Theorie der Perception (Wahrnehmung) geebnet
haben. — Diese Ausführungen von Moritz Brasch über
Forllage finden auch in des verstorbenen Professors Zöllners Ansichten
über Mathematik und Projectionen unseres Geistes
(s. Zöllner „Wissenschaftliche Abhandlungen") ihre volle Bestätigung
.
/) Fortlage nennt das „Selbst44 den Hauptgrundtrieb
der Seele, die darin nach sich selbst, ihrer eigenen Erhaltung
strebt und bis zur höchsten Vollkommenheit in der
„Vernunft" gelangt. Wird dem Triebe sein Gegenstand
versagt, so geht er in einen Zustand der Hemmung über,
worin seine Thätigkeit in die psychischen Zustände des
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