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406 Psychische Studien. XI. Jahrg. 9. Heft. (September 1884.)
die Besprechung der Broschüre: — »Der Spiritismus,
die Narrheit unserer Zeit" von Dr. Friedrich Kirchner
(Berlin, Habel, 1883) — über, die Recensent „als das Beste"
bezeichnet, „was nach den vortrefflichen Darlegungen des
Leipziger Professors Wundt in kritisch-wissenschaftlicher Erörterung
des Gegenstandes geleistet worden ist." Da heisst
es nun über dieselbe: — „Vieles davon kann glücklicherweise
als bereits endgültig entlarvt aufgewiesen werden,
und es gehören dazu auch die oben erwähnten, von dem
geheilten Parker enthüllten Thatsachen. Vielgenannte Medien
und Somnambulen, die grossen Lärm erregten und
heülose Geistes- und Gemüthsverwirrungen anrichteten, sind
dadurch (?) sammt den schnöden Humbugmachern der Gei-
sterphotographie*) und anderen Blödsinns solcher Art in das
Nichts zurückgestürzt, zu ordinären Betrügern herabgesunken
, [Auf die sich bekanntlich Herr Recensent selber am
meisten stützt! — B e f.] ohne dass freilich der Unfug selber
damit ausgerottet wäre." — Unser guter Kritikus sieht
nicht einmal ein, dass eine pure Nachahmung z. B. die des
Berliner Dr* Christiani mit dem Slade'schen Knoten, oder
ein echten Erscheinungen nachgeahmter Betrug jenes vorgeblichen
Mediums Thomson trotz dessen Entlarvung deshalb
die wahren und ehrlichen Vorgänge im wirklichen Trance-
Zustande sich befindender Medien noch nicht mit zu entlarven
vermag. Hören wir ihn über diesen doch für ihn
oben so räthselhaften Fortbestand des Spiritismus einmal
weiter: —
„Nach Kirchner's Darlegung habe man bei diesen Vorgängen
nicht ausschliesslich und nicht in allen Fällen auf
blosse Taschenspielerei zu schliessen, es gäbe auch eigen-
thümlich geartete Seelen, die sich in Illusionen, Hallucina-
tionen und visionäre Zustände versetzen und dadurch selber
täuschen können. Selbstverständlich weist er auch auf den
Hypnotismus hin, auf die hinlängliche Erklärung, welche
manche überraschende, angeblich spiritistisch bewirkte Erscheinung
durch den wissenschaftlich geführten Nachweis
gefunden, dass es möglich sei, durch Beeinflussung gewisser
Nerven des Organismus die Willenskraft zeitweilig herab-
*) Wir bitten den Herrn Kriliker, vorerst noch die Artikel des
geiner Zeit berühmtesten englischem Photographen John Beattie in
Bristol: — „Beschreibung merkwürdiger Experimente in der Photographie
" (s. „Psych. Stud." 1878, S. 337 ff. u. 1881, S. 203, 252 ff.)
sorgfältig zu studiren, ehe er obiges Blödsinns-Urtheil in sich verhärten
lässt Selbst der Berliner Professor Dr. Vogel, welcher doch auch
als eine Autorität dieses Faches gilt, hat sich bis jetzt an die John
Beattie'sehen Experimente mit seinen exaeten Aufklärungen nicht herangewagt
— Gr. C. Wittig.
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