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Wittig: Der Spiritismus i. d. Beleuchtung d. Europa-Chronik. 409
diese Erklärung wenigstens von unserem Kritikus zu erhalten
, sehen uns aber leider getäuscht. Und er hatte
es in Leipzig doch so bequem, einen solchen Fall in der
Petersstrasse genau zu studiren und zu entlarven! (Vgl.
„Psych. Stud.", Januar-Heft 1884, S. 39 ff.) Er wagt sich
aber lieber an ein ganz anderes Gebiet, in dem er noch
weniger zu Hause ist.
,/Wenn Rössiger's Medium Libnct, so schreibt K. z. B.,
,die von Hornung deutsch gestellten Fragen ganz passend
französisch beantwortete, weil sie nur dies verstand (d. h.
sprechen konnte,) so haben wir ähnliche Fälle in der Geschichte
der Mystik genug. Eine Convulsionärin verstand,
was man ihr in lateinischer, griechischer, hebräischer Sprache
sagte. Von Somnambulen berichten alle Aerzte dasselbe/
— Wir glauben aber kaum, dass ein rationeller Arzt oder
Naturforscher diesen in das Gebiet der Medizin fallenden
Satz geschrieben haben würde. Die Annahme, dass Jemand
eine Sprache sprechen und verstehen könnte, von der ihm
niemals irgend eine Kenntniss geworden, ist absolut mit
unseren Yernunftbegriffen nicht zu vereinigen, und man hat
alle Ursache, sie abzuweisen und hinter der angeblichen
Thatsacho einen Schwindel (!) zu vermuthen*). Die ,Ge-
des Sensitiven gelegt und dieser so von den Armen je drei sich hinter
seinem Rücken berührender Paare federleicht emporgehoben wird, dann
liegt der Fall doch wohl nicht mehr so natürlich, wie bei einem wirklich
mit Kraftanstrengung Emporgehobenen. — Gr. €• Wittig»
*) Weit präciser spricht sich der Recensent der Berliner „Vossi-
dehen Zeitung" v. 2. December 1883 über diesen Punkt aus: — „Ohne
einen Zweifel auszudrücken, referirt Kirchner S. 54: 'Wenn Rössiger's
Medium Libna etc.* — bis 'Von Somnambulen berichten alle Aerzte
dasselbe'. — 'Alle* Aerzte ist ein wenig zu viel. Bis zum Gegenbeweis,
der in den grossen und gut verwalteten Berliner Krankenhäusern doch
leicht müsste geführt werden können, wenn er zu führen ist, bestreiten
wir, dass Jemand, gleichviel ob in krankhaftem Zustande oder nicht,
eine Sprache spricht oder versteht, von der ihm nie irgend eine Kenntniss
geworden ist. Der mögliche Fall, dass Gehirnkrankheiten die
Wiedererinnerung an eine früher gelernte Sprache, eine plötzlich erneuerte
Kenntniss derselben zur Folge haben, würde nicht hierher gehören
." — Aber wer würde auch nur beurtheilen können, in wie weit
ein solcher Kranker eine Sprache früher wirklich verstanden und wjV
weit sie in ihm jetzt wiedererweckt sei? Der andere Fall, dass eine
ganz fremde Sprache plötzlich gesprochen (ob auch vom Subject selbst
verstanden, wissen wir nicht!) worden ist, liegt bereits vor (s. „Psyeb.
Stud." Februar-Heft 1884, Kurze "Notiz k) S. 93.) Auch der Fall des
Herausgebers der „Psych. Stud." ist herbeizuziehen, in dem zwar zwei
Kenner des Lateinischen gegenwärtig waren, aber nicht die Medien
des Tischklopfens gewesen zu sein scheinen, sondern die Base, welche
notorisch kein Latein versteht. ^Vgl. „Ps>ch. Stud." December-Heft
1883, S. 551, Jan., Febr. u. April-Heft 1884.) Braucht man denn zur
Feststellung solcher Fälle stets nur Gehirnkrankö in Hospitälern? —
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