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432 Psychische Studien. XI. Jahrg. 9. Heft. (September 1884.)
dieses 'HauptübeF unserer Gelehrtenwelt ein radikales Heil
mittel, so dürfte die jesuitische ratio sttidiorum (Stiulien-Ordt
nung), wonach (?) Secchi gebildet wurde, weitaus das bewährteste
und wirksamste sein. Denn diese Studien-Ordnung
nöthigt jedes Ordens-Mitglied, mag es später werden, was
es will, wenigstens zwei Jahre lang ernstlich und gründlich
die Philosophie zu studiren, und sich durch Examen
und öffentliche Disputation über seine Kenntnisse hierin
auszuweisen; die Philosophie der Jesuiten-Schule umfass
aber nicht nur die rein formalen und historischen Fächer
(Sprachen, Literatur, höhere Mathematik, Geschichte und
selbstverständlich vor Allem Logik und Metaphysik), sondern
auch die naturwissenschaftlichen Fächer, namentlich
and allgemein obligat die Physik, die Chemie und die
Astronomie. Nun leuchtet aber von selbst ein, dass ein so
umfassender Studienplan einerseits die beste Gewähr gegen
Einseitigkeit, anderseits Schülern und Lehrern die günstigste
Gelegenheit bietet, während der Studienzeit der Einzelnen
/u ermitteln, wozu ein Jeder am meisten Talent, Lust und
Geschick hat; und wozu nun Anlagen und Neigung Einen
am besten befähigen, dazu wird er nach Vollendung des
allgemeinen Kursus spezieller ausgebildet und schliesslich
verwendet. — Ingeniöse Köpfe finden freilich auch ohne
stramme Studien-Ordnung sowohl ihr Ziel, als omen Weg,
der sie sicher zu ihrem Ziele führt; aber trotzdem dürfte
kaum zweifelhaft ^ein, dass nicht nur bei der grossen Zahl
der mittelmässigen Talente, sondern auch bei den ausgezeichnetsten
Köpfen durch einen wohlgeordneten Studien-
Plan das Studium ungemein leichter und angenehmer, überdies
viel erfolgreicher, gründlicher und vielseitiger gemacht
werden könnte. Ich meinerseits wenigstens bin überzeugt,
dass Secchi nie der giündliche und vielseitige Gelehrte geworden
wäre, wenn er, mehr oder weniger sich selbst überlassen
, etwa auf einer deutschen Universität studirt hätte.
Doch ebenso viel, und vielleicht noch mehr, als dieser bewährten
Studkn-Ordnung, verdankt Secchi seinen ausgezeichneten
Lehrern u. s. w.", — die, müssen wir unwillkürlich
hinzufügen, doch nach derselben jesuitischen Studien-
Ordnung geschult waren
Und das Alles druckt Herr Dr. Karl Müller von Halle
in seinem naturwissenschaftlichen Journale ab, in welchem
er Jahre lang, wie wir in unseren „Psychischen Studien"
nachgewiesen haben, seit Slade's Auftreten gegen sinnlich
wahrnehmbare Phänomene des Seelenlebens gekämpft und
gestritten hat, welche den bestgeschulten Naturforschern
und Philosophen, einem Zöllner, Fechner, v. Fichte und Ulrici
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