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Siebert: Ueber den Mechanismus in den Erscheinungen etc. 477
oder mit blossem skeptischem Unglauben hinwegzudeuteln.
Auf ihnen beruht auch die heilkräftige wie böse Krankheiten
bewirkende sogenannte Sympathie, die sich aus einem
gesteigerten Mitgefühl erklärt.
Gr* C. Wittig.
lieber den Mechanismus in den Erscheinungen des Seelenlebens.
Von Friedrich Siebert — ist ein lesenswerther Essay in
den von Friedrich Spielhagen redigirten „ Westermanris illus-
trirte deutsche Monats - Hefte," Maiheft 1884. Ueber den
Bau des Nerven - Systems und seine Functionen sind lichtvolle
Erörterungen gegeben, ohne deren Studium die Umsetzung
oder Transsubstantiation von Bewegung in Nervenzellen
-Erregungszustände des Sehens, Hörens, Riechens,
Schmeckens und Fühlens nicht verstanden wird. Die Nerven
bestehen aus Pasern und Zellen» „Es ziehen isolirte Fasern
von allen Punkten der Körperoberfläche nach zelligen Anhäufungen
im Innern, und von diesen gehen polar entgegengesetzt
Faserzüge nach der Peripherie zurück. Erstere
entnehmen die Eindrücke der Aussenwelt und leiten dieselben
zu den Zeilen, Ganglienzellen genannt. In diesen
geschieht eine Umsetzung der als sensible Leitung zu bezeichnenden
Erregungen durch die Hautnerven; es entsteht
eine Stromerregung von der Ganglienzelle aus in der ableitenden
Nervenfaser, die nicht wieder in die Haut verläuft,
sondern sich in ein der Zusammenziehung, »Kontraktion/
fähiges Gebilde, dem Muskelfleisch, einsenkt und hier ein
Bewegungsphänomen, eine Zuckung (,Reflex< genannt) her-
vorruft.u — „In dem von weissen Faserzügen umgebenen
grauen Kern des Bückenmarks gehen die einfachen Reflexe
von Empfindung auf Bewegung vor sich, die indessen mit
dem Aufsteigen nach der Nackenanschwellung und vor dem
Uebergang in das Gehirn durch Verbindung und Gruppirung
der Nervenzellen eine Reichhaltigkeit koordinirter Bewegungen
zeigen, dass alle für das Wirbelthier nothwendigen
Örtsbewegungen bereits zur Erscheinung kommen. Bekannt
sind die Experimente am enthirnten Frosch, der bei Reizung
der Hautnerven nicht nur in regelrechten Sprüngen zu entfliehen
sucht, sondern auch, wenn festgehalten, durchaus
zweckmässige und höchst complicirte Bewegungen zur Abwehr
der feindlichen Einwirkung macht, so dass einige
Physiologen nicht anstanden, d§m Rückenmark sogenannte
seelibche Funktionen, wie bewusste Empfindung, Ueberlegung,
Wille, zuzuschreiben, während nur ein unbewusster Coor-
dinationsmechanismus vorliegt." — „Ohne damit eine Erklärung
des zur Zeit noch unfassbaren Vorganges der Selbst-
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