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480 Psychische Studien. XI. Jahrg. 10. Heft. (Oktober 1884.)
oft nur verursacht durch periphere, aus Erkrankungen von
Unterleibs- und Brustorganen entstandene widrige Empfindungen
, treten mit einer Notwendigkeit und Regel-
mässigkeit auf, dass der Geisteskranke zum Exemplar, zum
Typus herabsinkt wie das Thier in der Fabel. Wenn
konstante Gefühle der Unlust, Verstimmungen alle Eindrücke
schmerzlich empfinden lassen, wenn keine frohe Erregung
mehr zu entstehen vermag, mit anderen Worten,
wenn die Melancholie ihre Schatten auf alle seelischen
Vorgänge wirft, dann wird der Denkprozess durchaus unfrei,
und es stellt sich der Irrwahn, das Delirium ein,
dessen Inhalt bei allen Menschen, wie auch ihre sonstige
Geistesentwickelung oder sociale Stellung gewesen sein mag,
vollkommen gleich ist; es ist das Delirium der Verfolgung
oder Selbstbeschuldigung. Man kann nun jede Handlung,
jede Seelenäusserung bei solchen Kranken im voraus mit
Sicherheit bestimmen."
„'Lesen Sie', sagt Griesinger, ,die Krankengeschichten
aller Zeiten, gehen Sie in alle Irrenhäuser von Europa und
Amerika, beobachten Sie Kranke aus allen Ständen und
Menschenklassen, immer und überall werden Ihnen (einige)
bestimmte Reihen von Wahnvorstellungen in unerschöpflicher
stereotyper Wiederholung aufstossen; es ist, wie wenn
die Kranken es von einander gehört oder verabredet hätten,
was sie sagen sollen.' — Das Gleiche gilt von den Angstgefühlen
, von der Empfindung überschwenglichen Wohlseins
und unverwüstlicher Selbstzufriedenheit." (S. Leidesdorf:
„Ueber Psychiatrische Klinik und psychiatrische Studien."
[Prag, Med. Wochenschrift, LI, 77.])." —
Die bisherige psychologische Wissenschaft wirft, wie
wir sehen, alle ungewöhnlichen Erscheinungen des Seelenlebens
in einen Topf mit den oben skizzirten abnormen
Zuständen. Und in der That werden bei scharfem Vergleich
manche oder fast die meisten derselben von solchen
nicht gut zu unterscheiden sein. Aber es giebt doch auch
Vorgänge, welche durch die obige Hallucinations- und
Ulusions- wie Wahnsinns - Theorie nicht gedeckt werden,
wie z. B. die von Crookes und Zöllner beobachteten Phänomene
an sonst vorwaltend normalen Sinnespersonen, und
ihr Studium allein vermag die Psychologie wieder um
einen bedeutenden Schritt vorwärts zu bringen, ohne dass
man sich dabei irgend welchen fixen oder Wahn-Ideen hinzugeben
braucht. Wären derartige Erscheinungen, wie sie
die genannten und andere hervorragende Naturforscher der
Jetztzeit exaet beobachtet und beschlieben haben, (selbst
Erzherzog Johann hat sie trotz alles Unglaubens genau
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