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Wittig: Was unseren Berliner Thatsachen«Gegnern noth thut. 575
ein Berliner naturforschender Kritiker unterscheiden können,
selbst wenn er noch so animos gegen die Sache gesinnt
wäre. Er aber hat nur Angst um die daraus zu ziehenden
mystischen Folgerungen, anstatt einfach der Wahrheit der
Thatsächlichkeit die Ehre zu geben. Vielleicht brauchen wir
wirklich weder Kirchenwunder noch Dämonen, weder Geister
noch anderen Spuk zur richtigen Erklärung der Thatsachen,
welche im Zauberei- und Hexenwesen schon das ganze
Mittelalter bis vor 100 Jahren in blinden Wahn gestürzt
haben. Vielleicht liegen die Gründe in noch unerforschten
und meist latenten, aber in hypnotischen Zuständen ausgelösten
Kräften und Ideen unseres eigenen Seelenlebens,
und hätte nur eine scharf beobachtende und combinirende
Psychologie das letzte erklärende Wort zu sprechen.
Leider sind wir bis zu diesem Resultat noch weit entfernt
im Kampf der gegenwärtigen Meinungen und streitenden
Vorurtheile, welche die Thatsachen selbst gar nicht als
echt aufkommen lassen wollen. Warum so viel über eine
Sache schwätzen und streiten, und sie nicht zuerst exact
beobachten? Müssen denn unerklärliche Dinge und Erscheinungen
stets nur Betrügereien oder Taschenspielereien
sein? Bei Cumberland und BelUni, welche sich selbst für
- Prestidigitateure und blosse Nachahmer des Psychismus oder
genauer von nach ihrer Meinung betrügerischer Weise Geister
citirenden Medien ausgeben, mögen die Erklärungsversuche
des Herrn 0. C. allenfalls ausreichen, aber schwerlich bei
wirklichem Gedankenlesen und bei Stoischen und Eglin-
fon'schen Vorgängen. Möge der Herr Kritiker unsere vorjährigen
Artikel über Gedankenlesen (Psych. Stud. 1883
S. 105) und über die Experimente der „Gesellschaft für
psychische Forschung in London'* (Psych. Stud. 1883
S. 153, 201, 395, 451 ff.) vorher einer tieferen Einsicht
würdigen, ehe er total verschiedene Dinge unterschiedslos
weiter zusammenwirft und mit einander verwechselt. Wir
stimmen von Herzen mit ihm in seinem Streben überein,
welches er in den Schlussworten seines Artikels andeutet:
— „Die Freunde der (wahren) Wissenschaft werden trotz
„der 4N Pr. Ztg.' fortfahren, auch bei anfänglich geheim«
„nissvoll aussehenden Erscheinungen nach exacten 'natürlichen
' Erklärungen zu suchen. Selbst wo ihnen das nicht
„gleich vollständig gelingen sollte, werden sie vorziehen, auf
„die schliessliche Vervollkommnung zu ihrer einstweilen noch
„mangelhaften Erkenntniss der betreffenden Dinge durch
„die Wissenschaft zu hoffen, als irre zu werden und irre zu
„machen an dieser Wissenschaft und unterzutauchen im
„Wirrsale unklarer Mystik." —
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