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576 Psychische Studien. XL Jahrg. 12. Heft. (Dezember 1884.)!
Ist das aber schon selbst Mystik, wenn wir bloss als
Factum anerkennen, dass es natürliche Vorgänge giebt, die
wir eben so wenig erklären können, als die Herren Naturforscher
das Wesen der Electricität oder der Gravitation?
An irgend einem Punkte stehen wir doch an der Grenze
unserer wissenschaftlichen Weisheit, wie er doch selbst anerkennt
, und was darüber hinausliegt, ist und bleibt eben
das Mystische und Transcendente für unsere Begriffe und
als solches ebenso wunderbar, wie unsere eigene Existenz
oder unser Denken. Sind diese etwa mit der blossen Behauptung
erklärt: sie sind ja ganz natürlich und werden
dereinst ihren uns verständlichen Aufschluss schon finden!?
Das heisst, sich und Andere aufs Ungewisse hinaus vertrösten
, ist aber gar keine Wissenschaft mehr, welche
zu jedem Zeitpunkte genau das, was sie weiss, abzugrenzen
hat von dem, was sie noch nicht versteht. Letzteres
betrifft aber nur die Erklärung; die Thatsache selbst,
das Phänomen kann die Wissenschaft sehr wohl erhärten
, wie z. B. der Auf- und Untergang der Sonne
über 5000 historische Jahre lang genau von der Menschheit
beobachtet ward, ehe er von ihr erklärt wurde. Wir
wiederholen nachdrücklichst: unsere Thatsachen - Gegner
haben sich vorerst zu der Höhe exacter Beobachtung zu
erheben, kraft welcher sie unterscheiden lernen, was eine
Naturthatsache und was eine Taschenspielerei ist. So lange
sie über diesen todten Punkt nicht hinauskommen, ist mit
ihnen nicht weiter zu verhandeln. Die Beobachter und
Zeugen von psychischen Naturvorgängen werden sich von
einer falschen und After-Wissenschaft nichts weiss machen
lassen, welche ihnen beständig ein X für ein U vormachen,
sie vertrösten und Dinge leugnen will, die ihnen ein Schulknabe
vordemonstriren kann, wie es ja bei Hansen auch der
Fall war, an dem die Berliner und Wiener gelehrte Weisheit
zu Schanden wurde, so lange sie die Thatsachen leugnete.
Und ähnlich hat man Bastian in Wien mitgespielt. Die
nächste Folgezeit wird es seinen Verleumdern schon noch
lehren, dass es Dinge giebt, welche zwar Taschenspielerei
und Betrug unter Umständen ähnlich sehen können, aber
es darum wirklich noch nicht sind. Wir haben es vielmehr
mit unbewussten psychischen Zuständen und Vorgängen zu
thun, welche oft ihr traumhaftes und phantastisches Spiel
mit uns treiben. Das liegt aber in der innersten Natur
dieser Erscheinungen. Hat das der mythologisch sich entwickelnde
Geist der Menschheit nicht auch gethan, und
wurzeln in ihm nicht heute noch die meisten unserer höchsten
künstlerischen und religiösen Vorstellungen? Sollte der so-
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