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578 Psychische Studien. XL Jahrg. 12. Heft, (Dezember 1884.)
welcher er kaum aufrecht zu stehen vermochte. Zugleich
befriedigte er Hunger und Durst nur auf das Allernoth-
dürftigste, um sich den Regungen der Fleischeslust zu entziehen
. Er fand in jenen Tagen allgemeine Bewunderung,
und was man von seinen Thaten erfuhr, erwarb ihm in
jener Zeit der Leichtgläubigkeit (?) den Ruf eines grossen
Wunderthäters. Als sich jedoch zu viei Menschen an ihn
drängten, entwich er wieder nach Aegypten, von wo er
später nach Sicilien und Dalmatien ging, überall in der
charakterisirten Weise lebend; endlich sol? er auf der Insel
Cypern i. J. 371 gestorben sein. Die Dichter Herder, Döring
und Anastasius Grün haben sein Gedächtniss durch ihre
Legenden aufrecht erhalten. Die Wunder, deren sich in
seiner Zeit die Christen rühmten, die übernatürlichen Kräfte,
welche nach der Ansicht (?) des Volkes ihnen zur Verfügung
standen, erweckten bei den Gönnern des Heidenthums eine
seltene, mit dem inneren Geiste desselben in offenbarem
Widerspruch stehende Nacheiferung. Rühmten die Christen
ein 3eues Wunder, so waren die Heiden mit einem ähnlichen
bei der Hand; erzählten Mönche und Geistliche, dass ihnen
die Erscheinung eines Apostels oder Märtyrers zu Theil
geworden, so Hessen die Heiden einen Apollo oder Herkules
mit allen ihren Attributen sich den Gläubigen vorstellen.
Für die Kritiklosigkeit (?) jener Tage ist kennzeichnend,
dass keine Partei die Wahrheit jener Wundergeschichten
bestritt, nur Hessen es sich die Christen nicht nehmen, die
übernatürlichen Werke der Heidengötzen ihrem Einverständ-
niss mit dem Teufel, dem Vater der Lüge, zuzuschreiben.
Einst entbrannte in Gaza ein heftiger Streit zwischen den
Priestern und Anhängern des neuen Gottes Mamas und
dem heiligen Hilarion und seinen Geistlichen. Bei dieser
Gelegenheit ereignete sich Folgendes. Einer der Circus-
unternehmer zu Gaza, ein heidnischer Stadtbeamter und
Anhänger des neu aufgestutzten Gottes, sollte im Besitze
magischer Mittel sein, welche seinen Rennern den Sieg verschafften
, indem sie die Rosse des Gegners hemmten. Dieser,
ein Christ Namens Italicus, klagte deshalb Hilarion seine
Noth, der ihn zunächst auslachte, sowie ihm rieth, seine
Pferde zu verkaufen und den Erlös den Armen zu geben.
Als aber der christliche Sportsmann darauf hinwies, dass
es sich ja um einen Triumph des Christenthums handle,
ward er gefügiger und belohnte die Gewissenhaftigkeit des
Mannes, der lieber von einem Knechte Gottes Hülfe haben
wollte, als von Zauberern. Er weihte also besonders kräftig
einen Napf voll Wasser, mit dem dann vertrauensvoll
Italicus Rosse, Wagen, Stall, Führer und Circusschranken
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