http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1886/0013
Butsoher: Eine merkwürdige poetische Aeusserung. 5
bracht, ist aber jetzt wieder in Freiheit; wir andern erfreuten
uns normaler Geisteskräfte, die bei den meisten
über das Mittelmaass hinausgingen. Wir hatten, nachdem
wir uns Monate lang mit dem „Tischklopfen" begnügt, mit
den uns besuchenden Intelligenzen (Geistern?) verabredet,
sie möchten ihre Aeusserungen schriftlich durch die Hand
eines „Beisitzers" machen. Die Sache wurde von Allen
versucht, aber nur der alte Herr, sein Sohn und eine
der Töchter brachten es fertig, der erstere — der Vater
also — in geradezu vollendeter Weise und mit fabelhafter
Schnelligkeit. Ich persönlich brachte es nicht weiter als
etwa ein Kind, das Vorübungen zum Schönschreiben
betreibt.
Zu bemerken habe ich noch, dass an einen Betrug
nicht von ferne zu denken war, und über eine derartige
Annahme verliere ich kein Wort weiter.
Doch jetzt zur Sache,
Der alte Herr führte den Bleistift und wir fragten:
„Wer äussert sich im Tische?"
Antwort: (immer schriftlich) „Müller."
Frage: „Welcher Müller? Es gibt viele Müller."
Antwort: „Ich schnitt' es gern in alle Rinden ein,"
„Ich werde wohl der rechte Müller sein."
Jetzt nahmen wir an, dass der Verfasser der Schubertlieder
mit uns verkehre, und baten, er möge sich weiter
äussern.
Antwort: Schaffen soll derselbe Geist,
Der wie hier in Fesseln liegt,
Der mich nicht durchs Dunkel weist,
Dem die arme Seele siecht.
*) Herbst ist's, von der Früchte Last
Alle Zweige niederhangen,
Doch von einem dürren Ast
Kann man niemals Frucht verlangen! —
Diese poetische und zugleich trübe Aeusserung überraschte
uns, und wir waren sehr gespannt auf das Kommende.
Und wirklich, in raschen Zügen erschien auf dem Papier
das nachstehende Gedicht:
Müde bin ich, schrecklich müde,
Ob ich gleich nicht lang gegangen,
Doch es fallt so manche Blüte,
Die als schöne Frucht könnt' prangen.
*) 14 September 1878.
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