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Wittig: Seelische Wirkungen auf der Bühne etc. 27
lieh. Bei letzterer fehlt zur Persiflage von Davis' steten
Zeit- und Ortsangaben bei seinen Visionen sogar das genaue
Datum und die Stunde und Minute der Geistentwicklung
des sterbenden Handwerksburschen nicht! Hier aber fehlt
das genaue Datum der angeblichen „Macon (Georgia)
Telegraph" Original-Nummer! Existirt überhaupt in Macon
ein Richter solchen Namens? Herr Dr. J. B. B und sein
Freund haben bis jetzt wohl nicht danach geforscht, sondern
den ganzen Bericht auf Treu und Glauben hingenommen.
Der Staat Georgia ist weit von Chicago, Namen sind leicht
erfunden. Aber davon abgesehen, enthält die Geschichte
selbst viele Behauptungen, welche die Kritik nicht unbeanstandet
lassen darf. Der Berichterstatter und Augenzeuge
hat sich selbst wohlweislich nicht genannt; er müsste geradezu
der genannte Richter selbst gewesen sein. Dieser trägt
aber den bedeutsamen Namen W. A. Poe, während wir
einen berühmten Dichter Edgar A. Poe kennen, welcher
ähnliche Mystifikationen der Geisterwelt erfunden hat.*)
Sollte der Erfinder dieser Geschichte sich nicht dadurch
schon eine kleine absichtliche Blosse haben geben wollen,
die ihn nur Sachkennern verräth? Noch mehr aber durch
die merkwürdige Einleitung, offenbar nur das Privatver«
zeichniss des Richters nachsehen zu lassen , von dem er
selbst auf ihr Befragen: „Halten Sie ein Verzeichniss von
den Trauungen, die Sie vollziehen?" aussagt: „Nur ein
theilweises Verzeichniss; es ist nicht sehr genau." Folglich
dürfte in einem amtlichen Standesregister zu Macon der
mitgetheilte Trauungseintrag schwerlich gefunden werden.
Es wird von der Wittwe auf das berühmte Medium Fosler
in New York hingewiesen, welcher Geisterbotschaften und
Geistermaterialisationen vermittelt. Bei ihm sah die Wittwe
bereits ihren Gemahl als verkörperten Geist. Nun
soll wohl die hier exemplificirte Geschichte in höchst drastischer
Weise zeigen, wohin ein solcher Geisterglaube
sensualistischer oder grob sinnlicher Art zuletzt
führt! Warum hatte die Wittwe nicht genug an
der Glückseligkeit, ihren Gatten bei Foster verkörpert gesehen
zu haben ? Musste sie denselben auch noch zum zweiten Male
ehelichen und eine Trauungsscene mit ihm aufführen,
welche zu keinem andern Resultate führte, als dass er sie
zum zweiten Male so trostlos plötzlich verliess, dass sie die
Polizeibehörde zu vergeblichen Nachforschungen nach ihm
aufbieten musste? Was hatte diese Eheschliessung eines
*) Vgl. „Psych. Stud." Juni-Heft 1883 S. 287 ff. — mit Juli-Heft
1884 S. 340 L -
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