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30 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 1. Heft. (Januar 1886.)
Yon welcher Innigkeit sein Glauben und Denken war
und ist, verräth uns sein reizendes Idyll: „Als ich im
Walde beim Käthele war." Das Käthel ist die Tochter
eines Holzhändlers, bei welchem der Knabe Rosegger eine
Zeit lang wohnt. Das Mädchen erzählte nun seinem kleinen
Gaste im Vertrauen: „wenn es so ganz still sei und nur
die Hummel brumme, oder ein Lüftchen wispere, da gehe
Gott durch den Wald. Gott sei grösser, wie der allergrösste
Baum, aber er kümmere sich um jedes Reblein, und wenn
wo eine Ameise krieche, die sich einen Fuss abgetreten,
so helfe er ihr weiter, und wenn wo ein Blümlein stünde,
das nicht aufwachsen kann, weil ihm ein Steinchen anliegt,
so neige sich der liebe Gott auf die Erde und thue dem
Blümlein den Stein vom Herzen." Das ist ebenso echte
naive Gemüthspoesie wie seine Geschichte: „Als ich den
Kaiser Josef IL suchte." Als kleiner Schafhüter benutzt
er seinen Lohn, den Erlös für ein Lamm, um nach Wien
zu gehen. „Wenn der Kaiser zu den Bauern gegangen ist,
warum sollte der Waldbauernbub' nicht zum Kaiser gehen ?"
In Schottwien, einem Wallfahrtsorte, angekommen, betete
er in der Mariaschutzkirche für die Säue daheim, damit
sie nicht die Klauenseuche wegraffe. „Als er der Mutter
gedachte, hub er an zu schluchzen, schämte sich jedoch
vor der lieben Frau auf dem Altare, weil diese leicht ver-
muthen konnte, er weine um die Säue." In Wien angekommen
, gelangte er in eine Synagoge und wird aus derselben
hinausgeführt, weil er über die hohen schwarzen
Hüte der Betenden gelacht hat. Er machte hierauf seinem
Schutzengel Vorwürfe, dass er nicht besser auf ihn Acht
gegeben habe. Nachdem der kleine Waldpoet verschiedene
Abenteuer bestanden, den Kaiser Josef IL in der Kapuzinergruft
besucht und sich Bücher gekauft hatte, erschrak
er sehr. „Vom ganzen Lampel war kaum der Schweif
noch da/* Ohne Geld und todesmüde kommt er auf seiner
Bückreise in Baden an, wo ihm eine Glasermeisterin weiter
bis Krieglach hilft. — Als schon berühmter Mann heirathet
er 1873 zum ersten Mal, und nachdem ihm seine Gattin
beim zweiten Kinde gestorben, 1879 zum zweiten Male.
1876 hat er seine Monatsschrift: „Heimgarten" im Verein
mit Robert Hamerling begründet, welche heut noch blüht.
Wie er das Denken seiner alles Uebersinnliche glaubenden
, aber in sinnlicher Natürlichkeit bestrickten Bauern
und Landsleute feinfühlig und naturgetreu wiedergiebt, dafür
seien folgende Stellen Belege. In der Skizze: „Als
die hellen Nächte waren" (in „Waldheimath") führt er uns
einen jener Dorfphilosophen vor, die das Landvolk „Spinti-
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