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Wittig: Rosegger als Volks-Spiritualigt and Spiritist 33
götter, — sie segnen Felder mit Weihwasser und Weihrauch
, futtern aber auch heidnische Sturmgeister mit Mehl
und Früchten, um sie zu sättigen und zu beruhigen.
In mehreren Theilen des deutschen Alpenlandes verbinden
sich heidnische und christliche Traditionen in der
Sitte, am Allerseelentage (d. 2. November) die Geister
der Verstorbenen zu bewirthen. Es wird dies „Allerseelen-
begastung" genannt. Rosegger erzählt darüber, dass die
mitleidige Hausmutter am Vorabende des Allerseelentages
ein Licht auf den Stubentisch stelle, damit die zusprechenden
Seelen gut sehen und allenfalls mit dem Lampenöle ihre
Brandwunden bestreichen. Da es unter den armen Seelen
auch solche gebe, welche an der „kalten Pein" leiden, so
heize die theilnahmsvolle Hausmutter im Stubenofen wacker
ein, damit die Seelen auf der Ofenbank sitzend auf einige
Stunden des unbehaglichen Zähneklapperns loswerden. Für
hungrige Seelen stelle die umsichtige Bäuerin Kuchen und
Milch auf den Tisch. „Ihr lächelt, aber ich sage euch, des
anderen Morgens fehlt ein guter Theil vom Kuchen und von
der Milch. Und könnte die Hauskatze nur reden, sie hat
die Nacht über zufällig in der Stube ihr Mausen gehabt
und hat die tafelnden Geister wohl mit eigenen Augen
gesehen."
Besonders fromme, ältliche Jungfrauen sind gegen die
Seelen von rührender Aufmerksa nkeit. „Sie schlagen keine
Thür zu, damit nicht etwa eine arme Seele zermalmt werde,
Keii) Messer liegt auf dem Rücken, kein Rechen mit den
Zähnen nach aufwärts, damit nicht eine Seele darüber
stolpere, sich ritze oder schneide." Ferner werden Frösche
und Kröten rücksichtsvoll behandelt, weil man nicht wissen
könne, ob nicht doch eine arme Seele in Gestalt solcher
Thiere sichtbar werde. Es gebe an dem genannten Festtage
keine Seele im Fegefeuer und keinen Todten auf dem
Kirchhofe; Alles zieht zerstreut in der Welt herum und
macht Besuche bei Bekannten und Verwandten. Wenn
aber die Stunde der nächsten Mitternacht schlage, da müssen
sie alle zurück ins Grab oder in den Gluthofen, um
wer weiss wie lang der endlichen Erlösung entgegen zu
schmachten. Zuweilen geschähe es auch, dass sie im
Laufe des Allerseelentages durch gute Werke der Ihren
erlöst werden.
Sicher geben Rosegger s Schriften, welche gesammelt in
20 Bänden seit 1882 in A. HartleherCs Verlag in Wien erschienen
sind, in nai? - spiritistischer Hinsicht aus dem
Volksleben noch eine reiche Ausbeute. Gr. G WitÜg.
PiyohUohe Studien. Januar 1886.
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