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Wittig: Seelische Wirkungen auf der Bühne etc. 79
stellungs- und Gestaltungskraft solcher Psychiker erwiesen,
so müssten die Geister des Jenseits — nachdem sie es
einmal zu solchen Leistungen gebracht — naturnothwendig
auch zu weiteren ähnlichen [Resultaten gelangen und sich
zuletzt ganz frei unter uns Menschen auch ohne
solche Psychiker umherbewegen können wie bei
Matth. 27, 52 — 53! Das ist auch der noch im Keime
verborgene Glaube der Spiritisten und Spiritualisten —
und auch wir fordern dasselbe überhaupt als ersten Beweis
der Selbständigkeit einer so materiellen Geisterwelt. Bis
jetzt ist dieser Beweis der vollen materiellen und geistigen
Selbstäadigkeit der Geisterwelt durch mediumistische
sogenannte Geistererscheinungen nicht geführt worden. Wir
haben es meist mit nur stümperhaften, unfertigen Geisterphantomen
zu thun. Da aber auch solche vollkommenerer
Art sich gestaltet haben sollen, da mit der Wirklichkeit
zuweilen übereinstimmende Offenbarungen und prophetische
Vorherverkündigungen eintreffender Ereignisse dabei vorgekommen
sind, so müsste, wenn ihre Quelle die wirkliche
jenseitige Geisterwelt wäre, dieselbe sich in einer höchst
fatalen Abhängigkeit bloss von unseren Medien befinden.
Da ist ja unsere irdische Welt bereits besser organisirt,
um ihre erkannten Zwecke und sozialen Bedürfnisse zur
Geltung zu bringen. Um unsere Gedanken und unsere
persönliche Gegenwart zu äussern, benutzen wir weit vollkommenere
Hilfsmittel der Kunst und Willenskraft. Wäre
das erste Leben nach unserem irdischen Tode in der
Geisterwelt wirklich ein solcher Rückschritt, dass die armen
Seelen so rathlos umher üren und tappen müssten, um sich
den lieben Ihrigen nur mit höchster Mühe einmal verständlich
zu machen? Und das, so lange Menschen auf
Emen lebten und dasselbe Beaürfmss empfanden, sich
mit ihren geliebten Todten in ganz sichere Verbindung zu
setzen? Von einer Geisterwelt müssen wir doch folgerichtig
voraussetzen, dass sie wiiklich etwas geistiger und
verständiger sei, als ihre Bewohner vordem im Körper
waren, und dass sie demnach auch besser organisirt und
mit allen ihren Verhältnissen und den unsrigen schon vertrauter
sei, als dass sie auf diese Weise bei jedem Medium
aufs neue rathlos hin und her stümperte. Und warum ist
die Geisteiwelt selbst bei guten AJedien nicht jederzeit
ebenso sinnlich wahrnehmbar und sicher zu sprechen, wie
wir unserer Frtunde und Bekannten auf Erden sicher
habhaft werden können, wenn wir sie unter den uns gegebenen
Bedingungen aufsuchen? Hierin liegt der dunkle
Punkt, welcher uns verräth, dass die Mediengeister schwer«
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