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82 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1886.)
ersten Vorstellungen in Wien das Interesse für derartige
Experimente wachgerufen, wird bei uns bekanntlich das
Gedankenlesen als neuer Sport, und zwar meist mit bestem
Erfolge, in Privatgesellschaften versucht. Man hat dieses
sogenannte Gedankenlesen auf marnigfache Weise zu erklären
gesucht und in den meisten Fällen die Berührung
zwischen Gedankenleser und der denselben führenden Person
als Hauptfaktor für das Gelingen des Versuches bezeichnet
. Wiederholte und eingehende Versuche haben aber
gezeigt, dass der vorerwähnte Kontakt durchaus zum Gelingen
unseres Experiments nicht nöthig ist, also jene Erklärung
des Gedankenlesens, welche dasselbe nur als Fähigkeit
des Wahrnehmens zarter Pulsschwankungen und sonstiger
Veränderungen im Körper des den Gedankenleser führenden
auffasst, nicht ganz stichhaltig ist. Denn wäre es der Fall,
dass die Versuchsperson wirklich nur aus diesen geringfügigen
Anzeichen auf das Endziel der gestellten Aufgabe
schliesst, so müsste der Versuch, sobald Berührung ausgeschlossen
ist, — bei Aufrechterhaltung der sonstigen Bedingungen
— misslingen und könnte auch, wenn Kontakt
vorhanden, nur in seltenen Böllen gleich das erste Mal
gelingen, da ein derartig verfeinertes Wahrnehmungsvermögen
minimaler Bewegungsschwankungen bei normalen
Personen fast gar nie anzutreffen und nur durch langjährige
Uebung in dem Maasse, als hier nöthig wäre, erworben
werden kann. Es giebt wohl Individuen, bei welchen der
Tastsinn schon von Natur aus in hohem Grade entwickelt
ist; eine derartige Feinheit desselben aber, dass Schwingungen
, welche sonst nur durch sehr empfindliche Apparate
nachgewiesen werden können, derart kräftige Eindrücke zu
erzeugen vermögen, dürfte wohl nur höchst ausnahmsweise
anzutreffen sein. Da das Gedankenlesen aber, wie schon
erwähnt, auch dann gelingt, wenn der Führende mit dem
Experimentator nicht in leitender Verbindung steht, so
muss offenbar ein anders gearteter Vorgang statthaben,
welcher dem Suchenden oder Errathenden die Lösung der
gestellten Aufgabe ermöglicht. Einen Anhaltspunkt zur
Beantwortung der Frage, welcher Art dieser Vorgang sei,
findet man bei dem Studium einer besonderen Gruppe
hypnotischer Erscheinungen. Jn einem früheren Aufsatze
an dieser Stelle: „Hypnotische Versuche," wurde einer
Keihe interessanter, durch hypnotische Beeinflussung hervorgebrachter
Erscheinungen, der „Suggestionen,"**) erwähnt.
**) Einflüsterungen, wie s. B. der Magnetiseur Hansen seinen
hypnotisirten VersucbsperBönen einredete, als was sie gewisse Gegen*
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