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Wittig: Wohin kritikloser Spiritismus führt.
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nur ein sicheres Teleno-Instrument, welches uns mit dem
Allerhöchsten verknüpft, und dieses ist das innige Gebet
zu Gr ott, durch dessen Liebe und heiligen Willen wir mit
unseren Nächsten verbunden und von ihnen auch getrennt
werden, wie in Zeit und Raum, so auch durch die Ewigkeit
und Unendlichkeit. Hier hilft nur die Religion, das
Wiederanknüpfen an den Urquell alles Lebens» Und das
nicht allein — der Verlustträger muss dahin gelangen, nicht
mit seinem Schmerz zu spielen, nicht den verstorbenen Kindern
buchstäblich Spielzeug an ihre Lieblingsorte zu stellen,
wie derselbe Herr Dr. med. an anderer Stelle räth, sondern
seinen Schmerz heroisch zu besiegen und sich des vollen
Unterschiedes bewusst zu werden und zu bleiben zwischen
Diesseits und Jenseits. Ein solches stetes Vermengen beider
Sphären führt zum Wahnsinn. Wir können Spiritisten
dieser Richtung nicht genug vor solchen grundfalschen
Abwegen warnen. Wir haben Beispiele
äusserster ö-eistes-Zerrüttung auf diesem Wege vor uns.
Wir müssen dahin gelangen, psychographische Geisterantworten
nicht anders aufzufassen, als wie wir unsere schönsten
und rührendsten Träume am Morgen unseres Erwachens
betrachten. Eine gelegentliche Bewahrheitung derselben ist
noch lange kein Beweis ihres wirklichen Geister-Ursprungs,
Wir müssen endlich wissen lernen, dass Träume und Visionen
Die htungen unseres eigenen psychischen Wesens sind, die
wir ganz ebenso als schöne Phantasiebildungen hinzunehmen
haben, wie die Gebilde der Kunst und der Bühne. Wir
können aus ihnen wohl Geistiges lernen, wir dürfen sie
aber nicht buchstäblich in unsere Tageswirklichkeit übertragen
wollen. Wer letzteres thut, zeigt sich bereits selbst
geistesgestört. Das innige Gedenken an unsere Lieben wird
uns Niemand verwehren — welch herrliche Poesien haben
nicht ein Friedrich Rückert und ein Paul Heyse daraus geschöpft
. Aber sie und ihre Leser bleiben sich dabei stets
wohl bewusst, auf welchem Standpunkt sie eigentlich zum
Tode und Jenseits stehen. Es giebt einen Tod und ein
Jenseits — ja! aber wir wissen nichts weiter und nichts
eher davon, als bis wir selbst hinkommen, ebenso wie
unsere Vorfahren von einem transatlantischen Lande vor
Columbus und seinen Nachfahrern nichts Näheres wussten.
Hören wir, was Paul Heyse über den Verlust seiner geliebten
Todten singt: —
Vom Rosenstrauch die letzte Blüte fällt,
Ein böser Herbstwind schauert durch die Welt.
Wirt pflegten Winters dies und das zu thun,
Das^wara so mtissig, so entbehrlich nun!
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