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88 Psyohische Studien. XIII. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1886.)
Zu hoffen, harren, sorgen, uns zu freun —
Das soll nun Alles nimmer sich erneun.
Nicht sehn wir mehr der kleinen Fiiszchen Spur
Leicht eingedrückt der ttberschneiten Flur.
Nicht bei der frühen Lampe goldnem Licht
Glüht horchend aut ein kleines Angesicht.
Uns bringt der Winter nur mit Sturm und Graus
Melancholie in's ausgestorbne Haus.
Das Klügste war*, sich einzuspinnen sacht,
Wie es zum Winterschlaf die Raupe macht.
Doch da ein Mensch soll wacker sein und wach
Komm*, fliehn wir sommerwärts den Schwalben nach!
Vielleicht, dass zweier Wandrer tiefverarmt
Die Bettlerfreundin Sonne sich erbarmt.
Rispeüi singt man Abends in der Kühle
Und Mitternachts zur Stunde der Gespenster;
Ein wenig autzuathmen nach der Schwüle,
Singt sie ein Liebender am Kainmerfenster.
Ich singe sie an einem kleinen Grabe,
Drin ruht, was ich zumeist geliebet habe.
Es kommt kein Gruss, kein Flüsterwort zurücke;
Ein armer Spuk nur blieb von so viel Glücke.
Nur wer wirklich ein Geliebtestes auf Erden verloren
hat, vermag dieses Alles dem Dichter voll nachzufühlen.
Ein so blosser armer, vieldeutiger Spuk vermag aber unseres
Erachtens die jen seitge Gr ei st erweit nicht zu sein und
zu bleiben, wenn sie sich uns wirklich offenbaren sollte und
wollte. Sie würde sicher ganz anders mit uns verkehren,
ebenso lebendig und wirklich wie ein fremdes neuentdecktes
Volk im fernen Ozean. Sie würde vor Allem keiner so
vereinzelten Vermittler bedürfen, als welche sich die Medien
geriren. Sie würde ganz selbstständig handelnd
auftreten. Sie würde beständig uns beeinflussen, und
nicht bloss so zeit- und stossweise, wie angeblich bisher.
Sie muss also doch wohl für unsere irdischen Sinne, also für
Zeit und Raum unserer sinnlichen Anschauung, getrennt
und abgeschieden sein und bleiben. Nur ein einziger Gedanke
vermag uns mit ihr zu verknüpfen, der uns ja auch
über entfernte Theure schon auf Erden trösten muss, dass
ihre Wesen existiren und in ihrer Art und Weise
weiter thätig sind. Das genügt, da wir ja sicher wissen,
dass der Fährmann Charon uns über kurz oder lang auch
in jenes transcendente Land übersetzt, das bis jetzt nur
ein Regenbogen irdischer Wünsche und Hoffnungen für unsere
leiblichen Sinne überbrückt hat.
Gr. a Wittig.
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