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Schulz: Die drehende Lampe
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gewürzt wurde, erhebt sich die vor mir auf dem Tische
stehende Lampe ohngefähr zwei Zoll hoch und dreht sich
in ganz langsamem Tempo um ihre Peripherie nach rechts
und geht, nachdem der Kreis vollendet war, ebenso ruhig
wieder zurück, bis sie ihre ursprüngliche Stellung wieder
eingenommen hatte. Das so unerwartet auftretende Phänomen
hatte auf uns einen solch gewaltigen Eindruck gemacht
, dass wir Alle vor Erstaunen stumm waren und
mit bleichen Gesichtern dasassen. Ich läugne es nicht,
auch ich, Berichterstatter, war sehr betroffen über das, was
sich dicht vor meinen Augen zugetragen hatte. Meine jetzt
verstorbene Frau war die Erste, die die Sprache wieder
bekam und ausrief: „Carl! (mein Name) was war denn
das?" —Kuhig geworden, erwiederte ich: „Da, die Lampe
hat sich erhoben und gedreht! aber, ob und was das bedeuten
soll, weiss ich auch nicht." —
Vielleicht kann uns die Physik darüber Aufechluss
geben. — Unser Gast, das Frl. F., und meine Frau äusserten
sich dahin, dass das wohl ein „Anzeichen" gewesen sein
dürfte, wie dergleichen ja öfters vorkäme, wo die in naher,
oder auch entfernterer Zukunft auftretenden Ereignisse
ihre Schatten schon in die Gegenwart werfen. — Nun ja,
dass diese Dinge schon öfter vorgekommen, ist auch mir
zum Ueberfluss bekannt. — Da nun fast alle Glieder meiner
engern Familie medianim beanlagt sind, so glaubten wir
auch dort Aufschluss zu finden. Doch genug der Abweichung
; kehren wir wieder zu unserer Begebenheit zurück.
Am anderen Tage erkrankte plötzlich, ohne dass irgend
etwas Bemerkenswerthes vorausgegangen wäre, unser kleiner
Georg so stark, dass wir uns sofort veranlasst fühlten,
ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Mit freundlichster
Bereitwilligkeit folgte der damals unter mir wohnende Herr
Dr. med. Julius Claras meiner Bitte, besuchte das kranke
Kind, verschrieb die für passend gehaltene Medizin, die
sofort geholt wurde, gab die nöthigen Verhaltungsmaass-
regeln und entfernte sich unter der Bemerkung: „Sollte
sich der Zustand verschlimmern, so lassen Sie es mich
sogleich wissen." — Trotz eingegebener Medizin und der
sorgsamsten Pflege wurde das Kind immer kränker, so dass
wir den Arzt wiederum zu rufen genöthigt waren. Der Herr
Dr» verschrieb andere Medizin, die wiederum gleich geholt
und eingegeben wurde. — Es war Alles vergeblich! — Als
wir gegen Mitternacht den Arzt zum dritten Male rufen
Hessen, konnte er nur den Tod des Kindes "constatiren. —
Auf meine Frage, was denn hier eigentlich vorgelegen?
antwortete mir der Herr Doctor; „Ein Kopfübel!" — Das
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