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108 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 8. Heft. (März 1886.)
Teile des Eückgrates. Alles, was ich anblickte, verursachte
mir einen Anflug von Entsetzen. Normale Laute, z. B.
das Sehliesscn meines Stehpultes, empfand ich als Drohungen
einer satanischen Person; das Anormale lag also
hier in der Empfindung, kam also aus dem inneren Sinne.
Da konnte einem vor dem Auslöschen der Lampe angst
werden, wenn man schon hei dem Lichte derselben solche
Anwandlungen hatte. Doch ich wollte die Lampe nicht
brennen lassen, wollte des phantasmagorischen Teufels
Herr werden und löschte die Lampe stets aus, liess auch
die Thür zum anstossenden Zimmer, in welchem niemand
schlief, offen. Da huschte es in den Schatten gespenstisch
heran, „Dedko na pajeczych nogach"*) nennt es der Pole,
„das spinnenbeinige Dedko.« J
Doch ich legte mich zu Bett, entschiedenen Willens.
Der Teufel regte sich noch ein wenig, dann verschwand er,
und ich schlief ruhig die ganze Nacht.
Man sieht hieraus, dass man mit Verstand und festem
Willen auch des Teufels Herr werden kann; doch Verstand
und Wille kommen von Gott.
Man denke sich dergleichen Zustände nicht so leicht,
besonders die Vorstellung des Besessenseins* Das muss
man durchgemacht haben!
Wenn nun dergleichen Zustände für uns, die wir sie
für Phantasmagorien halten, nicht so leicht zu ertragen
sind, in welch* grässlicher Lage mussten sich die Mönche
und Einsiedler des Mittelalters diesen Phantasmen gegenüber
befundeu haben, um so mehr, als sie dieselben für
substanzielle Teufel hielten! Man wird da die Bedeutung
des obigen Hymnus zu würdigen wissen.
Die Person und Geschichte des in dem Bulwer'schen
Romane „Zanoni" auftretenden jungen Engländers, — ich
kann mich auf seinen Namen nicht mehr besinnen, — der
den bösen Geistern verfällt, schwermüthig und wahnsinnig
wird, weil er die Macht verloren, sie zu beherrschen, ist
durchaus psychologisch richtig gezeichnet.
Man wird nun nicht mehr die Besessenheit der Heiligen
und die Versuchung Christi für leere Erfindungen halten.
„Jesus---ward vom Geiste in die Wüste geführt
und ward vierzig Tage lang von dem Teufel versucht. Und
er ass nichts in denselben Tagen---Und da der
*) Lies; „Dedko na pajentschich nogach." Die polnische Sprache
hat nur kurze Vokale und betont in zwei- und mehrsilbigen Wörtern
stets die vorletzte Silbe, nur in einigen Verbalformen wird in einigen
Ländern auch die drittletzte Silbe ebenso richtig betont.
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