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Wittigt Theophrastüs Paracelstis.
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Krankenbette in diese Kenntnisse praktisch ein, ähnlich
wie noch zu Anfang des 18. Jahrhunderts der schlesische
Dichter Johann Christian Günther von seinem Vater, dem
Stadtphysikus Johann Günther zu Striegau, in die Geheimnisse
der Medicin eingeweiht wurde. Beide haben das
Gedächtniss ihrer Väter hochgeehrt.*) 1502 siedelte die
Familie nach Dillbach in Kärnthen über, woselbst des
P. Vater bis 1534 lebte und starb. Hier genoss Paracelsus
den Unterricht einiger Klostergeistlichen, so auch des
gelehrten Abtes Eberhard Paumgartner im Kloster zu St*
Andrä, im Laronthale, und kam im 16. Lebensjahre auf
die Universität Basel. Alsdann wurde der berühmte Johannes
Trithemiusj Abt zu Sponheim und später zu Würzburg,
sein Lehrer in verschiedenen alchemistischen Arcanis ;
Sigmund Fugger in Schwatz bei Innsbruck lehrte ihm in
seinen Laboratorien die Alchymie und Goldmacherei. Er
hatte einen scharfen kritischen Blick für die Gebrechen
der damaligen medizinischen Schulen. Ihn bildete das
Leben und die Erfahrung, nicht die Buchgelehrsamkeit.
„Ich bin wohl", sagt er, „so stark und heftig auf den Lehren
der Alten gelegen, als sie. Da ich aber sah, dass nichts
anderes, als Tödten, Sterben, Würgen, Erkrürapen, Verlahmen
, Verderben macht und zurieht, und dass kein Grund
nicht da war, ward ich bezwungen , der Wahrheit in
ander Weg nachzugehen. Ich stellte mir vor, wie, wenn
in der ganzen Welt kein Lehrer der Arznei war, wo würd'
ich die Kunst erlernen? Nirgends als in dem offenen
Buche der Natur. Dies studirte ich nun und nicht mehr
die Bücher der Aerzte, denn jeder Schwätzer hat seinen
eigenen Tand. Wer aber die Natur durchforschen will, der
muss mit den Füssen ihre Bücher treten. Die Schrift wird
erforscht durch ihre Buchstaben, die Natur aber durch
Land zu Land. So oft ein Land, so oft ein Blatt, und
die verschiedenen Länder und Provinzen sind die Blätter
des Codex der Natur. Ein Arzt soll ein Landfahrer sein.
Ursach: die Krankheiten wandern hin und her, so weit die
Welt ist, und bleiben nicht an einem Ort. ^ill einer viel
Krankheit erkennen, so wandre er auch." — Bis zum
32. Lebensjahre ist er wirklich gewandert, und zwar durch
einen grossen Theil von Deutschland, Italien, Frankreich,
den Niederlanden, von Dänemark, Schweden und Russland,
ja bis Konstantinopel soll er gekommen sein und von dort
sein berühmtes Lebenselixir mitgebracht haben. (Aus
*) Siehe: „Neue Beiträge zur Biographie des schles. Dichters
Joh. Chr, Günther" von Gr. C. Wittig (Striegau, d. Ho^mmin, 1881.)
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