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Wittfg: Theophrastus Paracelsns.
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ahmten ihm nur in letzterem, weniger in wirklich wissenschaftlichem
Wissen und Beobachten nach. Seine Irrthümer
seien mit den Paracelsisten und Rosenkreuzern zu Grabe
gegangen.
Hierin sind wir total anderer Meinung. Paracelsns
kannte sicher eben so gut wie wir viele derselben Erscheinungen
des Mediumismus, Somnambulismus und Hypnotis-
mus, welche von seiner Zeit wie von der Gegenwart vielfach
geleugnet, weil sie in ihrem wahren und eigentlichen
Wesen nicht erkannt wurden. Dass es dergleichen wundersame
Dinge giebt, welche sich selbst bis zu Todtenbe-
schwörungen erheben, wer könnte das heute noch angesichts
der Litteratur des modernen Spiritismus leugnen? Paracelsus
wie Luther und ihre Zeitgenossen fussten mit ihrem vermeintlichen
Aberglauben sicher auf Thatsachen des Nerven-
und Seelenlebens. Wer wollte heut zu Tage noch angesichts
der constatirten Wirkung Jäger'scher Haarduftpillen
(vgl. „Psych. Stud." April-, Mai- und Juni-Heft 1885} nicht
an ein ähnlich wirksames Lebenselixir des Paracelsus aenken
und glauben können? Der Irrthum und Aberglaube liegt
nicht in der Thatsache der Heilung durch ein solches
Mittel, sondern in der kritiklosen Verallgemeinerung der
Wirksamkeit eines solchen Mittels für alle Fälle. Aehnlich
operirt ja der moderne abergläubische Spiritismus, welcher
alle befremdlichen Erscheinungen des Nerven« und Seelenlebens
der Wirksamkeit seiner alle Menschen umschwebenden
Geister zuschreibt. Nur darin hat der moderne Spiritismus
Recht, dass es dergleichen Erscheinungen giebt,
welche sich auf eine ideelle Gedankenverbindung mit Verstorbenen
oder Geistern theils von selbst berufen, theils
auf solche deuten lassen, so lange keine nähere Ursache
dafür ermittelt ist. Der Stein der Weisen, das Lebenselixir
, das alle Metalle in Gold verwandelnde Pulver wurzeln
in dem Grundtriebe des menschlichen Geistes und seiner
Denkkraft, alle Dmge möglichst auf eine Einheit zurück
zu beziehen, wie wir alle irdischen und himmlischen Erscheinungen
des Weltalls schliesslich in die Denkeinheit
oder den Begriff Gottes und seiner mitwirkenden Geisterwelt
zu versenken und aus ihnen hervorgehen zu lassen
logisch genöthigt sind. Aber die Wissenschaft, welche sich
auf die Beobachtung durch unsere irdischen Sinne und die
nächsten Schlussfolgerungen daraus stützt, darf ä priori
mit solchen allgemeinen Begriffen nicht operiren, sondern
muss eben individuelle Ursachen suchen, deren inneren
Allgemeinzusammenhang sie freilich abermals nicht leugnen,
aber auch nicht jedes Mai bis in seine letzten Verzweigungen
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