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140 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 3. Heft, (März 1886.)
dem Aberglauben nicht so viel neue Nahrung gegeben
haben und aus dem Reste vielleicht eine Anzahl wahrer
Fälle kritisch haben soweit aufklären können, dass man sie
ebenso natürlich finden würde, wie die drei von mir beigefügten
Fälle»" — Er erkennt ferner an: — „Mit der Behauptung
unzähliger Gegner der Telepathie: 'Wir glauben
alle die Geschichten nicht/ ist freilich nichts gewonnen.
Darum handelt es sich nicht, ob man an die Wahrheit des
wesentlichen Inhalts aller der Geschichten vom zweiten
Gesicht glaubt oder nicht, denn Glaubenssachen gehören
nicht zu den Erkenntnissmitteln der Wissenschaft. Diese
aber soll hier entscheiden." —
f) Zwei interessante Fälle von Hypnotismus gelangten
vor Kurzem auf der Nervenabtheilung der königlichen Charite
in Berlin zur Beobachtung Der erste Fall betraf, wie das
,.B- Tgbl." mittheilt, eine 19jährige Kindergärtnerin, welche
im vergangenen Jahre in Folge von Ueberanstrengung bei
den Vorbereitungen zum Lehrerinnen-Examen von Krampf
anfallen heimgesucht wurde, die später sich so häufig wieder
holten, dass sie in der Charite Aufnahme nachsuchen musste«
Neben rein epileptischen und hysterischen Anfällen beob
achteten die Aerzte auch, dass die Patientin, sobald man
sie einen Gegenstand fixiren liess, oder einen kurzen Druck
auf einen ihrer Augäpfel übte, in einen hypnotischen Zustand
verfiel und das Bewusstsoin verlor, so dass sie selbst sehi
tiefe Nadelstiche nicht empfand. Bei Druck in der Nacken
gegend stiess die Kranke jedesmal einen eigentümlichen
schnarchenden Ton aus, während Druck auf den Scheitel sc
fort einen blitzartigen Krampf des ganzen Körpers hervor
rief. Das Erwachen aus der Hypnose erfolgte gewöhnlich
von selbst nach 15 bis 20 Minuten, konnte aber durch Bc
sprengen des Gesichtes mit kaltem Wasser beschleunig!
werden. — Bei der zweiten Patientin, einem 18jähriger
Mädchen, das in einer überfüllten Kirche nach mehrstündigerr
angestrengtem Marsche zum ersten Male erkrankte, konnter
dieselben hypnotischen Erscheinungen wie bei der ersten her
vorgerufen werden. Die Patientin beantwortete sogar wahrem
der Hypnose jede der ihr vorgelegten Fragen, so dass c
möglich war, mit ihr trotz ihrer Bewusstlosigkeit ein zu
sammenhängendes Gespräch zu führen. Wurde sie aufgc
fordert, zu gehen, so erhob sie sich langsam und ging mi
Unterstützung im 'immer umher. Es gelang leicht, dies*
Patientin durch Ai.' auchen des Gesichts zu erwecken; si
richtete sich dann auf, kratzte mit den Händen um siel
und sah sich verstört um; nach kurzer Zeit sprang sie dam
plötzlich empor und war wieder bei Bewusstseitu Weite*
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