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Wittig: Das Problem des Darwinismus etc.
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Wirkung ist äquivalent ihrer Ursache (das seither unter
dem Namen aufgetauchte „Gesetz von der Erhaltung der
Kraft''). Prof. Seydel bestreitet, dass die Naturwissenschaft
für die Summe aller Wissenschaften zu halten sei; deshalb
seien diese Axiome auch nicht auf Seele oder Geist der
Lebenswesen, also auf die Psychologie anzuwenden. Unsere
Empfindungen seien ihrer Qualität nach, z, B. süss,
grün, Schmerz, und unsere Gedanken ihrem Inhalte
nach lediglich Zustände unseres Innern und keine „Bewegungen
". „Eine Bewegung hat Richtung, Geschwindigkeit,
Dauer, Ausgangs- und Endpunkt, aber sie ist nicht 'grün*
oder 'süss1, und in ihrem eigenen Begriffe liegt Nichts
von Schmerz oder von einem Gedankeninhalte, wie etwa vom
Gedankeninhalte 'Rachsucht' oder 'Einheit Deutschlands1
und dergleichen. Bewegung ist eben nichts Anderes als Ortsveränderung
, und so sind eben nur Ortsveränderungen Bewegungen
; jede Bestimmung aber, die über den Begriff der
Ortsveränderung hinaus hinzutritt, kann zwar vielleicht
durch Bewegungen veranlasst, hervorgelockt, verursacht
eein, aber sie ist nicht selbst eine Bewegung. Es giebt
also Ereignisse, die nicht Bewegungen sind, mithin giebt es
auch Ursachen, die nicht Bewegungsursachen sind. Hieraus
folgt, dass in Wundts erstem Axiom: 'In der Natur sind
alle Ursachen Bewegungsursachen* und in seiner Ueber-
schrift: 'Physikalische Axiome' die Worte 'Natur1 und
'physikalisch' von einschränkender Bedeutung sind. Soweit
das Universum 'Natu/ ist und soweit die Wissenschaft
'Physik* ist, gelten jene sechs Axiome." — — „Jedenfalls
dürfen wir verlangen, dass man der Wissenschaft des Wirk-
liehen, welche nicht frei in der Luft schweben und nicht
nur als subjective Geistesübung betrieben werden soll, das
Recht einräume, die geistigen Thatsachen ebenfalls als
wirkende Ursachen, als Kräfte zu betrichten, wo uns
die Erfahrung so deutlich dazu zwingt, wie das im Reiche
des Lebendigen der Fall ist. Als Wirkungen wird man
die geistigen Erscheinungen doch nicht los; warum sollen
sie nicht auch Ursachen sein? Es wäre ein seltsames
Ding, welches Dasein hätte und doch Nichts bewirkte! Man
sagt: Körperbewegungen können nicht durch Gedanken,
durch Wollen erzeugt werden. Woher weiss man das, da
doch Aller Erfahrung anders redet? Das a priori Ab-
urtheilen, welches man den Philosophen so schwer anzurechnen
pflegt, ist für die Naturwissenschaft weit unverzeihlicher
. Weiss man überhaupt, was Körper ist? Wie
nun, wenn auch die Körper sich schliesslich ganz
und gar in Thätigkeitscentren auflösten von der-
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