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224 Psychische Studien. XIII Jahrg. 5. Heft. (Mai 1886.)
barung des wahren Inhalts dessen ergänzen, was jene
nur in formaler ui d abstracter Weise ausdrücken. Die
gemeinsame Richtung auf den gesuchten Mittelpunkt ist in
jenen Sätzen schon so deutlich ausgeprägt, dieselben enthalten
so deutliche Hinweisungen auf das, was wir unter
jenem höchsten Wesen zu denken haben, dass wir nur die
dort gezogenen Linien zu verlängern, das in jenen Sätzen
Gedachte nur consequent bis zu Ende zu denken haben,
um das gesuchte Oentrum zu finden und einzusehen, dass
nur die Idee Qottes, das ist die Idee einer alle
Welt Wirklichkeit in sich schliessenden lebendigen Persönlichkeit
von absolutem Charakter, dem Begriffe jenes
höchsten Wesens genügen könne."
Wir können und dürfen dem Verfasser nicht in alle
seiue Entwicklungen iolgen, sondern empfehlen Jedem das
Studium des Original-Artikels selbst, welcher noch mehrere
gediegene Fortsetzungen verspricht. Nur die Hauptresultate,
die er aus seinen eingehenden Betrachtungen gewinnt,
erlauben wir uns noch zu pflücken, weil sie uns zum wesentlichen
Begriffe des Cireistes führen, der uns vorwaltend
interessirt und unseren Lesern im Spiegel der Philosophie
Lotze's und eines seiner Schüler vorgebildet werden soll.
„Der allgemeine wesentliche Grundzug aller inneren
Erlebnisse ist" — nach Hugo Sommer — „die lebendige
Kückbeziehung auf uns selbst im Bewusstsein. Das Eür-
sichsein ist daher das wahre Wesen aller Realität. Realität
ist Für sich sein. Für sichsein in diesem Sinne ist
aber nur em anderer Ausdruck für das, was wir unter
Lebendigkeit und Geistigkeit verstehen. Nur das
Lebendige kann für sich wirklich, real sein; alles Todte,
Unlebendige, alles ruhende unbewegte Sein kann nur als
Vorstellung in den lebendigen Wesen, nicht aber für sich
selbst irgendwie wirklich sein. Giebt es daher ein einziges
höchstes Wesen, welches der wahre und letzte
Grund aller Realität ist, von dem alle Einzelwesen, welche
das Universum konstituiren, ihr eigenes Dasein gleichsam
zu Lehen tragen, so kann auch dieses höchste Wesen
nicht als todte Substanz oder gar als Begriff, sondern nur
als lebendiges fürsichseiendes geistiges Wesen gedacht werden.
„Betrachten wir nun den Verlauf unserer inneren Erlebnisse
näher, so werden wir alsbald inne, dass dieselben
zum grossen Theile durch Veranlassungen angeregt werden,
welche nicht spontan in uns selbst entstehen, oder durch
vorangegangene Zustände unseres eigenen Wesens allein
bedingt und hervorgerufen sind. Wir müssen daher jene
Veranlassungen als Einwirkungen anderer Wesen
auf uns betrachten, und der Verlauf des Lebens über-
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