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230 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 5. Heft. (Mai 1886.)
gewissen Stellen werden die Schützen des Lebensstromes
aufgezogen oder übertluthet, und als diese Stellen erscheinen
die bis jetzt noch unerklärlichen Organisationen der sogenannten
Medien. Auch sie repräsentiren ganz eigene Qualitäten
und sind nach den bisher nur quantitativ-mechanisch be-
urtheilten gewöhnlichen Organisation - Erscheinungen nicht
voll zu bemessen und zu verstehen.
Uns scheint, dass Alles, was der gelehrte Herr VerVerfasser
von den Amöben mit ihrer wundersamen
Fähigkeit, nicht bloss Glieder benutzen, sondern auch
gleichzeitig bauen und wieder einziehen zu können, höchst
anschaulich für den Darwinismus beibringt, auch für unsere
Medien oder Psychiker gilt, welche für ihre innere Trieb-
und Ideenwelt sich ebenfalls neue psychische und physische
Organe oder Gestaltungen zu erbauen suchen. Auch in
ihnen herrscht eine „Zieltendenz," welche über dieses zeitliche
und irdische Leben weit hinaus trachtet und dem Seelenleben
in einem Jenseits eine solide psychisch - stoffliche
Grundlage erbauen möchte. Auch er legt besonders in die
Willensthätigkeit den gestaltenden Hauptfaktor. Wie
die Lebewesen sich fortschreitend immer neue Organe
aneigneten oder aus sich hervorgestalteten, so sehen wir
ja bereits einen ähnlichen Fortschritt in den immer mehr
von einfachen somnambulen Vorgängen bis zu den eompli-
cirtesten Materialisations-Phänomenen sich steigernden psychischen
Erscheinungen. Dieser Fortschritt beweist, dass diese
vermeintliche Geisterwelt ebenso wenig wie die leiblichorganische
DarwirUs schon fix und fertig ist, sondern nach
zwar unbewussten, aber vorhandenen Zieltrieben sich immer
weiter ausgestaltet. Beide sind demnach Produkte des
uns nur zunächst Nothwendigen. Man vergleiche hierzu
Hrn. Aksakonfs „Kritische Bemerkungen über Dr.«;. Hartmanris
Werk" im Februar-Hefte 1886 der „Psych. Studien," S. 71 ff.,
74 ff —
Nur erscheint uns der Spiritismus mit seinen Gestaltungen
gewissermaassen in einem bedeutenden Vortheil
gegenüber dem Darwinismus. Der erste weist einen
,.Transmutations - Process" aas einem lebenden in einen
geistigen Organismus wenigstens direct durch Vorgänge
nach, welche sich vorläufig noch nicht anders deuten lassen;
Darwin aber, direct befragt, ob er irgend eine Thatsache
kenne, dass sich eine Art wirklich in eine andere Art (also
z. B. auch ein Affe in einen Menschen) verwandelt habe,
antwortete als ehrlicher Mann gegen Professor Caspary in
Königsberg ganz einfach: nein! (Vgl. „Die Natur" in
Halle, Nr. 9 v. 27. Februar 1886.) Es ist eine Ver-
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