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246 Psyohisohe Studien. XIII. Jahrg. 6. Heft. (Juni 1886.)
koll über die Tortur lautet weiter: — „Nu sehrub der
Scharfrichter die spanische Stiefeln etwass wieder an. Inqui-
sita aber rieff wieder auff ihre Unschuld. Der Scharfrichter
verwundete Inquisitam etwass mit der spitze der Scheren,
sie vor den Kopff ritzend, und schuitte ihr einige Haare
ab.*) zog sie auch etwass wieder an. Tnquisita aber sagte:
Man möchte ess mit ihr machen, wie man wolte, sie könte
nichts sagen. Inquisita wurde darauff auffgezogen, und ihr
der Knebel inss Maul gethan. Darauff sie den Kopf
schüttelte und loss gelassen ward, wolte auch nichts bekennen
, sagende, sie könte ja nichts. Inquisita ward wieder
auffgezogen und darauff geschwinde wieder loss gelassen,
wolte sich dennoch zu nichtes gestehen." — Endlich wurde
sie zwar freigelassen, erhielt aber nicht die geringste Ge-
nugthuung für alle erduldete Ungerechtigkeit und JElohheit.
(Als ob der Verf. nicht wüsste, dass noch 1886 unschuldig
Verurtheilte vom deutschen Staate nicht entschädigt werden,
sondern ein dahin gehender Gesetzentwurf noch schwebt!)
Den Schluss der Acten bilden die Worte: „Bey so gestalten
Sachen ist Inquisita, nachdem die Tortur vormittagss von
halb zwölf bis halb ein ohngefehr gewehret, auff diessmahl
lossgelassen und dem Scharffrichter anbefohlen worden,
ob sie ein Stigma hätte, zu erforschen, so er aber nicht
finden können." Sie verfiel also zum Glück nicht dem sonst
sehr raschen Urtheil „tom füer" (zum Feuer)! —
Was der Verfasser nicht genügend hervorgehoben hat,
ist das wirkliche Bestehen nicht bloss des Hexen-Glaubens
oder Wahnes im Volke, sondern auch von thatsächlichen
unerklärlichen Vorgängen bei gewissen Personen,
die man eben lediglich in Folge dessen zu Zauberern und
Hexen stempelte. Er selbst fordert den Leser auf, nicht
zu lächeln über die behauptete Anhexerei von Krankheit
. Und doch scheint er selbst noch gar nicht an dergleichen
böswillige Einflüsse glauben zu wollen, als
ob es nicht möglich und wirklich wäre, dass Jemand durch
seine eigene Gemüthsstimmung und Einbildung gerade diejenige
Krankheit oder den Unfall erleiden könnte, die ihm
ein Feind an wünscht! Das ist noch ein ganz dunkles Kapitel
, welches unsere Naturforscher und Physiologen nicht
eher aufklären werden, bevor sie nicht den Mesmerismus,
Hypnotismus und Spiritismus mit ihren verschiedenen Fällen
gründlich durchstudirt und erprobt haben. Was haben
Feindschaften nicht schon für Störungen und Unglücke
über ganze Familien gebracht! Und hier waltete eine
*) Vgl. Dubium XXXI S. 9. der „Psych. Stud." Januar -Heft 1885,
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