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304 Psyohische Studien. XIH Jahrg. 7, Heft. (Juli 1886.)
wenn man darunter eine Kunst versteht, gewisse verstorbenen
Personen ähnliche Gestalten in der Luft erscheinen
zu machen.*) So wenig ich nun auch dergleichen
für gewiss behaupte, so wenig wage ich es, sie zu verwerfen
; denn viele Dinge sind möglich, die wir nur deswegen
leugnen, weil wir nicht deutlich erkennen, wie sie
geschehen." — Offenbar zielt Pomponazzi mit den verstorbenen
Personen ähnlichen Gestalten auch auf eine Art
anormaler Sinnesbilder.
Der Arzt Girolamo Fracastoro (1483—1553) erklärt in
seiner „De Sympathia et Antipathia" cap. 23 die Fas-
cination ähnlich wie Pomponazzi durch scharfe giftartige
Ausdünstungen, welche der lebhaft erregte Wille aus den
Augen ausströmen lasse, worauf die zarten Lebensgeister
und der schwache Wille des Kindes von den scharfen
Dünsten und dem starken bösen Willen des Zauberers
überwältigt würden.
Wie Martin Delrio in seinen „Disquisitionibus magicis"
L. I. cap. 3 sagt, sollen ausser den genannten Autoren
noch Alehindi in seinem Buch „de imaginibus" und Johann
Pico von Miranäola (1463—1494) in seinem Werk „De
imaginatione" von der fernsehenden und fernwirienden
Kraft der Seele gesprochen haben. — Alle diese Theorien
sind jedoch als vereinzelte Versuche aufzufassen, dieses
oder jenes dunkle Problem des Seelenlebens rationell zu
deuten, einem wirklichen System begegnen wir erst bei
Heinrich Cornelius Agrippa von Nettesheim.
(Fortsetzung folgt.)
*) Vgl. „Psych. Stud." April-Höft 1886 S. 174 ff.
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