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328 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 7. Heft. (Juli 1886.)
1238 erfolgten Tode in ehelicher Trennung und Enthaltsamkeit
. Von ihr wissen wir aus Zeugnissen ihrer Zeitgenossen
, besonders yon ihrem Beichtvater Bruder Herbord,
„dass er mit der Herzogin Anna öfters Augenzeuge von
der Andachtsgluth der heiligen Hedwig gewesen, in welcher
sie einen solchen Aufschwung des Geistes nahm, dass sie
die Sinne verliessen, wie auch ihr Diener Cosmas bezeugte,
welcher zuweilen vor die Heilige während des Gebetes trat,
ohne dass sie ihn erkannte." (Vergl. Stemel: „Scriptores
rerum Silesiaoarum" [Breslau 1839] p. 24.) So ist es bei
dieser mediumistischen Anlage nicht zu verwundern, dass
wir auch die Gabe der Vision und Prophetie bei ihr
entwickelt finden. Herzogin Anna erinnerte sich bei dem
Tartaren * Einfall, dass Hedwig vor drei Jahren, als der
Untergang von Moskau und Wladimir durch dieselben
bekannt wurde, zu Schwester Adelheid in Trebnitz gesprochen:
— „Gedenke meines Sohnes im Gebete, denn er wird nicht
nach Weise derjenigen, die im Bette sterben, aus dieser
Welt gehen!" — Als ihr die staunende und erschrockene
Klosterfrau bekümmert antwortete: „Fürstin, das sei ferne!
Ihr habt nur den einzigen Sohn, darum befürchtet Ihr,
dass ihm vielleicht also geschehe; verbannt diese Besorgnis?!"
— Da erwiederte Hedwig: — „Ich fürchte es nicht bloss,
ich weis es ganz gewiss, dass er durch Todtschlag um sein
Leben kommen wird." {Stemel „Seriptt." II, 44.) —
Erst drei Tage nach der Schlacht erfuhr Anna in
Crossen die traurige Kunde von dem Tode ihres Gemahls.
Der Tiefbe+rübten, die in qualvoller Ungewissheit auf Siegesbotschaft
gehofft, hatte Hedwig den Dolchstich dieser erschütternden
Nachricht ersparen wollen; denn sie schrak
selbst in der Nacht, da ihr einziger Sohn auf dem Kampffelde
verblutete, vom Schlafe auf und sprach zu ihrer
Schaffnerin: — „Demundis, Du sollst wissen, dass ich bereits
meinen Sohn verloren habe. Mein einziger Sohn ist wie
ein Vöglein von mir eilig entflogen; ich werde ihn in diesem
Leben nicht wiedersehen!" — Demundis wollte die Herrin
beschwichtigen, sprechend: — „Fürstin, noch ist ja kein
Bote eingetroffen, und nichts hat man von dem gehört, was
Ihr sagt, drum lasst diese Besorgniss fahren und glaubt
in dieser Hinsicht nicht Euch allein!" — Hedwig entgegnete:
— ,,Es ist so, wie ich Dir sagte; aber hüte Dich wohl, es
Jemandem mitzutheilen, damit die Trauerkunde weder
meiner Schwiegertochter noch meiner Tochter zu Ohren
komme." — Schwester Pinnosa hatte diese Unterredung
belauscht, obwohl man sie schlafend wähnte. Die Frauen
achwiegen jedoch bis zum dritten Tage. Da langte der
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