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372 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 3. Heft. (August 1886.)
Alle Beligion, alle Moral, alles Recht würden zu blossen
Namen ohne Inhalt; denn es ist vergeblieh, diese Grundpfeiler
aller menschlichen Ordi.ung auf ein anderes Fundament zu
stellen als auf die menschliche Freiheit." — „Wir
haben gesehen/4 sagt er kurz vorher, seine bisherigen Ausführungen
begrifflich zusammenfassend, „dass Freiheit
so, wie sie in uns wirklich ist, nur dadurch in uns wirklich
sei, dass der ganze Weltprocess auf ein eirheitliches Ziel
von unbedingtem Werthe gerichtet ist, und dass wir selbst
zur Mitwirkung an diesem Ziele berufen sind; dass ein
lebendiger persönlicher Gott, dessen Wesen die Liebe ist,
der Grund aller Weltwirklichkeit und also auch unseres
eigenen Lebens ist, und dass ein aus dem Grunde
des AIlerheiligsten aller Weltwirklichkeit entspringendes
Lebensinteresse von unbedingtem
Werthe die normgebende höchste treibende
Kraft unseres Wesens ist; denn nur daraus kann der
charakteristische Grundzug unseres freien Wollens, das
Gefühl der Verantwortlichkeit, erklärt werden."
Wir haben diese Auszüge aus unserem Essayisten
wohlweislich „das Kriterium der Wahrheit im Erkennen
" betitelt Handelt es sich doch für uns philosophische
und moderne Spiritualisten und selbst für die
blossen Spiritisten wesentlich darum, an der leitenden Hand
einer wahren Philosophie kennen zu lernen, wie wir uns
gegenüber den mediuwistischen Phänomenen und den seltsamen
Erscheinungen des Seelenlebens wahrhaft kritisch zu
verhalten haben. Wir haben aus allem vorhergehend Mit«
getheilten gefunden, dass das Kriterium der Wahrheit in
der Philosophie Lotzens und seines Schülers Hiujo Sommer
unseren exaeten Foi sehungen im Bereiche des Mediumismus
überaus günstig ausgefallen ist. Wir dürfen uns hiernach
vollkommen auf die wohlgeprüften Thatsachen unserer
sinnlichen Beobachtungen und ihrer seltsamen Erscheinungen
im Gefühl wie in den daraus vorsichtig gezogenen weiteren
Schlussfolgerungen verlassen. Wir waren auf keinem
uufruchtbaren Holzwege, als wir uns dem Studium dieses
aus kurzsichtiger Verblendung der meisten Männer der
Wissenschaft und Philosophie bisher vernachlässigten psychologischen
Gebietes hingaben. Und wir finden gleichzeitig,
dass die fünf Axiome*) des Verfassers auch die gewisse
Ueberzeugung von der Existenz eines ausser uns wirksamen
Geisterreiches und unserer wechselseitigen Verbindung
mit ihm vollkommen enthalten und deckeu.
*) Siehe „Psjch. Stud« August-Heft 1885, S. 305 ff. ~~ Der Ref.
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