Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
13. Jahrgang.1886
Seite: 386
(PDF, 156 MB)
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386 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 9. Heft. (September 1886.)

welchen sie sich später bis zu ihrem Scheiden bewegte,
Ihre damaligen Briefe an mich und die Aussagen ihrer
Umgebung Messen eher auf einen gewissen Grad von Geistesstörung
schliessen. Ihr Arzt bemerkte aber kein Symptom
einer solchen, er verordnete Bäder und eisenhaltige Präparate,
um ihre Nerven zu stärken. Dass sie ihn durch keine
sonderbare Aeusserung befremdete, ist durch die Scheu
zu erklären, mit welcher sie jedem Fremden einen Einblick
in ihr inneres Leben verwehrte, und sie hatte auch
meistens in ihrer Gewalt, in Gegenwart Anderer durch ihre
äussere Haltung kein Aufsehen zu erregen.

Da nun die Wunde, welche jene erste Enttäuschung
mir schlug, nicht sehr tief ging und neue Interessen an
mich herantraten, so hörte auch meine Mutter bald auf,
sich seelisch mit jener Angelegenheit zu beschäftigen; sie
wurde körperlich geheilt, aber die Folgen jener Erschütterung
blieben auf ihr Gemüth von dauernder Wirkung. Es
war mir noch nicht vergönnt, ein Maass zur Beurtheilung
der wahren Bedeutung ihres Zustandes zu gewinnen. Da
mein Schicksal ihr vorläufig keine ernste Besorgniss ein-
fiösste, so begann sie dasjenige von fernstehenden, unbekannten
Personen mit ihrem Geistesblicke zu verfolgen,
lauter Menschen, die sie nie auf der Welt gesehen, die aber
ihr Mitleid besonders in Anspruch zu nehmen schienen.
Den Werth ihrer in unterbrochenen Sätzen hingeworfenen
Aeusserungen konnte ich natürlich nicht ermessen, es
fehlte mir jeder Anhaltspunkt zur Controlle.

Da ich aber später die TJeberzeugung gewann, dass
das Hellsehen meiner Mutter der Kraft ihres weiblichen
Herzens zu verdanken war, so sei es mir vor Allem gestattet,
gleichsam den Boden zu zeigen, auf welchem sich als höchste
Offenbarung ihrer eigenthümlich beanlagten Seele jene seltsame
Thätigkeit entfaltete, welche mich auf sie wie auf
ein höheres Wesen emporzublicken hiess.

Eine sinnlich poetische Anlage war bei meiner Mutter
nicht vorhanden; sie war nüchtern und rein, zeigte auch
keinen Hang zu Mysticismus und Frömmelei; die Bewunderung
liess meistens ihr Herz unberührt. Somit war ihr
auch die Liebe nicht eine Quelle sinnlichen oder geistigen
Genusses; sie äusserte sich bei ihr nicht im Empfangen,
sondern im Geben, und wandte sich in ihrer gan/.en übernatürlichen
Kralt dem Unglück und dem Elend zu. Von der
Grösse keineswegs abgestossen, waren ihr auch die Mächtigen
arme Menschen und theure Brüder; zeigte ich ihr aber
die Bilder von Menschen niederer Bassen, so ruhte ihr
Auge mit Wehmuth auf jenen Geschöpfen, welche die


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