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420 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 9. Heft. (September 1886.)
III. Abtheilung.
Tagesneuigkeiten, Notizen u. dergl.
lieber die letzten Stunden Friedrichs des Grossen
macht die „L'Union medicale" interessante Mittheilungen.
Der grosse König litt an einer unheilbaren Wassersucht,
die in Sanssouci am 37. August 1786*) seinem Leben ein
Ende machte; aber wenig bekannt ist, dass er in seinen
letzten Stunden einem magnetisirenden Charlatan in die
Hände fiel, wovon Dr. Verse eine romantische Schilderung
giebt. Der Saal war schwach erleuchtet durch Kerzen,
die in Alabastervasen standen. An einem Ende des Raumes
sass der König tief in den Kissen eines mit grünem Sammet
überzogenen Lehnsessels, bleich, erschöpft, nach Athem
ringerd, hilflos um sich blickend. Die Gräfin Lichtenau
hätschelte von Zeit zu Zeit seine geschwollenen Hände, um
seine Aufmerksamkeit zu erregen, und, um die Schilderung
zu vollenden, der im Sterben liegende König hörte auf
einen Vorleser, der Moliere's „Le Malade imaginaire" („Den
eingebildeten Kranken") vortrug. Aerzte aller Art, Ohar-
latane und Gelehrte riethen Mittel an, um die sinkenden
Kräfte zu heben: die Ausdünstungen neugeborener Kälber
einzuathmen, Anwendung von magischen Kräften etc. Einer,
ein berühmter Magnetiseur aus Paris, Feind aller Droguen
und Doktoren, wurde der Gräfin vorgestellt und gab folgende
Verhiltungsregeln für den Konig: —
„Ich halte den Zustand des Königs nicht für eine
Krankheit, sondern einfach für Verlust an Kräften, das
Resultat der negativen Kraft, welche das Hauptprincip
alles Lebens ist. Arzneimittel hoffen nichts; die Natur
nilein kann die Mittel bieten, welche mv Erhaltung des
Lebens Sr. Majestät erforderlich sind.
1) Um das für Preussen thouerste Leben zu reiten,
sollte Sr. Majestät mindestens einen Monat lang vergessen,
dass er König ist, und alle Rpgierupgsgeschäfte Andern
überweisen.
2) Er müsste täglich eine Stunde hindurch elektrische
Bäder nehmen, dns erste nru'h dem Aufstehen, das zweite
vor dem Schlafengehen. Während dos Bades muss eine
magnetische Hand auf den Magen des Patienten gelegt
werden, und ich empfehle zu diesem Zwecke, Herrn Vuyscgur
aus Paris herbeiholen zu lassen.
*) Deutschland feierte am 17. August 1386 seinen lOOsten Todestag.
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