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Wittig : Hinscheiden von Mrs. Mary Fenn-Davis. 429
halten ihres Mannes das des Mr. Davis oft genug als
Musterbild gegenübergestellt haben, was Mr. Love zu seiner
Beschuldigung trieb. Sie Hess diese Beschuldigung als
Scheidungsgrund gelten, ohne dagegen zu remonstriren, weil
sie Mr. Davis mit aller Gluth eines weiblichen Herzens um
seiner erhabenen Lehren willen, besonders über die zur
Zeit öffentlich von ihm gepredigten und später im
„Reform ator" niedergelegten Grundprincipien über die
wahre Ehe, zugethan war und innerlich dahin strebte, sich
doch wirklich mit ihm in engste persönliche Verbindung zu
setzen. Das war ihr Versehen, welches später von ihren
und Davis1 Gegnern zu dessen beständiger Verunglimpfung
ausgebeutet wurde. Davis selbst hatte sie diesen Scheidungsgrund
verschwiegen; er erfuhr erst ein Jahr später (1856)
den wahren gesetzlichen Sachverhalt durch einen Freund: —
doch schon vorher betrachtete er sie nicht mehr als seine
wirkliche Gattin, lebte und wirkte aber aus Rücksicht für
sie noch öffentlich mit ihr gemeinsam weiter, „weil er sie
für ein bewunderungswürdiges Weib angesehen habe41!
Wir haben uns, als sein Eheseheidnngsgesueh vom
20. December 1884 in die öffentlichen Blätter drang, gefragt
, weshalb Davis wohl so spät, nach 29 Jahren erst,
diese eheliche Trennung betreibe? Er giebt uns zwar
triftige Gründe vom gesetzlichen und moralischen Standpunkte
aus; allein diese hätten ihn schon früher (1856) zu
demselben Schritte nöthigen müssen. Wir glauben den
wahren und eigentlichen Anstoss und Grund zu dieser späten
Scheidung nicht sowohl in seinem langjährigen, bloss geschwisterlichen
Verhältnisse zu ihr; ferner nicht in ihrem
krankhaft gereizten Zustande gegen ihn, als sie erfuhr, dass
seine persönlichen Sympathieen sich erst seit 1882 anderwärts
hinzuneigen schienen, da sie ihm ja in dieser Beziehung
persönlich nichts zu bieten vermochte; auch nicht
in den vielen an ihn gestellten Forderungen und Bedürfnissen
, die (T ja alle durch Aufnahme und Erziehung ihrer
eigenen zwei Kinder erster Ehe, Charles und Fanny Love,
und der vier Kinder des mit Fanny 1871 verehelichten Mr.
Frank W. Baldwin, Herausgebers und Eigenthümers des
„Orange (N.-J.)-Journals", nachdem Fanny am 22. Febr.
1876 daselbst plötzlich gestorben,*) bereitwilligst erfüllte;
auch nicht „in den mit organischen Schwächezuständen
bei Mrs. Mary verbundenen Gehirn- und Geistesstörungen
", von denen er p. 175 seines neueren Werkes
„Bey ond the Valley" (1885) schonend berichtet: sondern
*) Siehe „Psych. Stud,tt December-Heft 1885, S. 557 ff.
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