http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1886/0451
Gessmann: Das Gedankenlesen.
443
'Denke an einen ganzen Satz*, fuhr der Zauberer fort.
„— 'Ich thue es eben'.
„Und der Stift schrieb auf den Sand: — 'Adicete
veikuntam haris' (Wischnu schläft auf dem Berge Vei-
kuntam).
„— 'Könnte der Geist, der Dich inspirirt, mir die
243. Sloka des 4. Buches des Manu geben?' frug ich
Covindassamy.
„Kaum hatte ich diesen Wunsch ausgesprochen, als der
Fakir durch den Stift dessen Erfüllung bewirkte. Buchstabe
auf Buchstabe entrollte sich vor mir, und die folgende
Sloka, welche wirklich die verlangte war, erschien: —
,,'Darmaprädänam pouroucham tapasa hata kilvisam.
Paralokam nayaty ä§ou basonantam kagarirmam/
„Folgendes ist die Uebersetzung dieser seltsamen
Stanze: —
„'Der Mensch, dessen Handlungen alle die Tugend zum
Zwecke haben, und dessen Sünden alle durch fromme Werke
und Opfer getilgt worden sind, gelangt zur Himmelswohnung
, lichtstrahlend und mit geistiger Form bekleidet/
„Als letztes Experiment verlangte ich endlich, indem ich
die Hand auf ein geschlossenes kleines Buch legte, welches
in Auszügen einige Hymnen des ßig-Veda enthielt, welches
das erste Wort der fünften Linie auf der 21. Seite wäre.
Ich erhielt die Antwort: —
,,'Devadatta', (von Gott gegeben),
„ich sah nach; es war richtig.
„'Willst Du eineFrage in Gedanken stellen?'
sagte der Zauberer.
„Ich machte zum Zeichen der Bejahung eine einfache
Kopfbeweguug, und das folgende Wort wurde auf den Sand
geschrieben: —
,,'Vasunda' (die Erde).
„Ich hatte gefragt, welches unsere gemeinsame Mutter sei.
„Ich gebe dazu keine Erklärungen, keine Behauptungen
in Betreff der Ursachen. Ist es blosse Geschicklichkeit,
ist es der bis zur Grenze seiner Macht getriebene Magnetismus
? Ich weiss es nicht; ich habe es gesehen und erzähle
es; ich habe gesehen und betheuere die Genauigkeit
der Umstände, unter welchen diese Thatsachen hervorgetreten
sind. . . . Materiell habe ich Betrug nicht für leicht
gehalten bei der Sorgfalt, die ich anwandte, um nicht getäuscht
zu werden, wenigstens nicht in zu grober Weise;
dann aber auch wegen der Einfachheit der Phänomene,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1886/0451