Institut für Grenzgebiete der Psychologie und Psychohygiene, Bibliothek, Frei122-Z5
Aksakov, Aleksandr N. [Begr.]
Psychische Studien: monatliche Zeitschrift vorzüglich der Untersuchung der wenig gekannten Phänomene des Seelenlebens
13. Jahrgang.1886
Seite: 447
(PDF, 156 MB)
Bibliographische Information
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Margaretha A. Kr.: Charakteristik einer Hellseherin. 447

mir dann: „Bei Dir muss Alles verdient sein; das ist noch
keine Liebe, man liebt nicht mit dem Kopfe." Und ins
Einzelne übergehend, unternahm sie es, Denjenigen, an
welchen ich im Stillen gedacht, den sie aber nicht einmal
persönlich kannte, zu vertheidigen. Sie hat immer meine
Gedanken richtig gelesen, gleichviel ob sie mein Gesicht
sah oder nicht. Laut zu denken pflege ich ohne Absicht
und Bewusstsein nicht.

Wie froh war sie dagegen, wenn hie und da mein Herz
frisch und lebendig schlug. Einst empfand ich auf der
Strasse beim Erblicken einer theuren Person eine reine,
hohe Freude. Ich fand zu Hause meine Mutter gerade so
gestimmt, wie ich selber war. „So gefällst Du mir," sagte
* sie. „Wenn Du aber so kalt grübelst, so stössest Du ein
Herz, das Dir gehört, auf eine Weise ab, dass es seinen
inneren Halt verliert und jeder feindseligen Einwirkung
zugänglich wird."

Dieses war ihre Theorie über unbewusste sympathetische
Wechselwirkung in die Ferne.

Ein solcher eigentümlicher Seelenzustand, den ich nie
für möglich gehalten und in seiner wahren Bedeutung auch
niemals erkannt hätte, wenn er nicht beinahe ein halbes
Menschenalter hindurch der Gegenstand meiner beständigen
Beobachtung gewesen wäre, hatte aber auch seine Schatten-
seiten.

Vor Allem litt meine Mutter furchtbar darunter. Bei
der heftigen Aufregung waren ihre Extremitäten eiskalt,
und als sie zusehen musste, was mir Andere bereiteten, und
mir doch nicht helfen konnte, so drückte die Bangigkeit
ihr die Kehle zu, ihr Mund wurde ganz trocken, und ihr
Leben glich einer Agonie. Endlich zersetzte sich ihr Blut,
und sie starb an der Wassersucht.

Wenn andere Hellseher eine höhere intellektuelle
Begabung und seltene wissenschaftliche Kenntnisse entfalten
, so muss die Beschaffenheit ihres Geistes eine andere
sein, als es bei meiner Mutter der Fall war. Im gewöhnlichen
Leben war sie in ihren Urtheilen so subjectiv, wie
nur ein Weib sein kann, und diese Subjectivität bewahrte
sie auch als Hellseherin.

Kein Mensch vermochte sie zu einer Ansicht zu bekehren
, die ihrem Gefühle widersprach. Sie hatte für Gerechtigkeit
im gewöhnlichen Sinne des Wortes durchaus
kein Verständniss; Krieg und Hinrichtungen waren ihr ein
Gräuel, sie wollte deshalb niemals zugeben, dass unser
Kaiser in einen Krieg gewilligt oder ein Todesurtheil
unterschrieben habe. Als ein unverheirathetes Mädchen,


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