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470 Psychische Studien. XIII. Jahrg. 10. Heft. (October 1886).
An die Stelle des Wortes „Lehnin" setzte Pater Speer
„Buron", was „Beuern" bedeutet. Von dieser bayrischen
Umarbeitung und Umdeutung existirt gegenwärtig nur noch
eine Abschrift eines Mönches Korbinian Streicher vom Kloster
Ettal, auf welcher jedoch der Abschreiber bemerkt, dass
er das Original auf altem Papiere vor Augen gehabt habe.
Der Verfasser des Originals aber, Pater Simon Speer, wurde
später i. J. 1632 bei Erstürmung seines Klosters durch die
Schweden grausam ermordet.
Wir citiren nun diejenigen Stellen, weiche sich auf die
jüngsten Pfingstereignisse in der bayerischen Geschichte,
nämlich den schreckenvollen Tod König Ludwins II, (geb.
25. August 1845), seinen Vorgänger und seinen Nachfolger
in der Regierung beziehen: —
„Inferet heu tristem patriae hme femina pestem
Femina serpentis tabe contacta recentis,
Vir bonus totus tarnen (oder „non") audit vulgo devotus
Nec est Severus, hinc dicitur optimus herus.
Quod timet obscurum certe tarnen eece futurum.
Forma rerum nova fiet, patiente Jehova."
Professor Sepp, der bayerische Historiker, übersetzt
dies also: —
„Dann bringt ein Weib dem Lande die leidige Peste, c Schande!
Eine neue Schhnge im Grunde und mit dem Teufel im Bunde.
Der König, ein trefflicher Mann, hört nicht, (oder: doch, obgleich) dem
Volk zugethan.
Gegen sich nicht sattsam strenge, ist er der beste Herrscher der Menge.
Was er dunkel geahnt, macht alsbald die Zukunft bekannt.
Der Dinge Neugestaltung beginnt nach göttlicher Waltung."
Die Lehnin'sehe Weissagung bezieht das „Weib" nach
ihren Auslegern auf die JFrau Elisabeth, die Tochter des
vertriebenen Königs Christian II. von Dänemark und die
Gemahlin des brandenburgischen Kurfürsten Joachim I.,
dessen Bruder der durch den TezeV&chva Ablasskram bekannte
Kurfürst - Erzbischof Albrecht von Mainz war. Sie
wurde lutherisch und brachte dem Lande die Reformation.
Deshalb nennt sie der Abt von Lehnin die „Pest".
Pater Simon Speer aber soll diese Stelle über das
„Weib" auf die Gräfin Landsfeld, die berüchtigte Lola
Montez} und deren königlichen Verehrer Ludwig I. bezogen
haben, dessen Charakter nach Sepp's „Leben König Lud-
wig*s I. Augusti", wie in der Weissagung geschildert, populär,
excentrisch, eine Neugestaltung der Dinge selbst veranlassend
und vorausahnend war. Aehnlich war aber auch
der Oharaeter des Kurfürsten Joachim I. von Brandenburg.
Weiter heisst es in dem Lehnin'sehen Yaticimujxi: —
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