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476 Psychische Studien. XIII. Jahrg. lö. Heft. (October 1886.)
probiren da eben, wie es sein wird, wenn wir neben einander
im Grabe liegen werden." — Der Dichter Uhland erscheint
als das normale Gegentheil von Beiden in Dichtung und
Leben.
b) Zur Feier des 100. Geburtstages (des 18. September
er.) von Jvstlmis Kerner hielt beim Festessen
Dr. Theobald Kernet, der Sohu des Gefeierten, eine Ansprache
, in welcher er köstliche Jugenderinnerungen aus
dem Jahre 1820, besonders an den Bau eines neuen Elternhauses
, an die Renovirung der alten B irg zur Weibertreue
in Weinsberg und an die Besuche der alten Freunde
seines Vaters, eines Uhland, Karl Mayer, Köstlin, Gustav
Schwab u. A., erweckten. Wörtlich fährt er fort: — „Bald
kam auch eine kranke, bleiche Frau, um Linderung für ihr
Nervenleiden zu suchen. Es war die Seherin von Pre-
vorst, und da sass mein Vater stundenlang an ihrem
Bette und studirte die Schattenseiten der Natur, das
Hereinragen einer Geisterwelt in die unsere,
und David Strauss, damals Repetent in Tübingen, und
Professor Eschenmayer, Passavant, Schubert, de Wette, Franz
v. Bader, GÖrres. Schleiermacher, Schelling, Philosophen und
Naturforscher besuchten meinen Vater und die Seherin,
und Nervenkranke, aller Art Geisteskranke, Besessene
drängten sieh zur Our heran, und mein Vater hatte gar
viel zu schreiben und zu streiten. Dazwischen fehlte auch
nicht das weltliche Volk der Dichter, es kam Graf Alexander
von Württemberg, der bald der innigste Freund meines
Vaters wurde, Tieck, Matthisson, Lenau,*) Freiligrath, Mörike,
Geibel,**) unerschöpflich wurde die Gastfreundschaft, die
Räume des Hauses reichten oft kaum, Alle aufzunehmen"
u. s. w. — Die Seherin hiess Friederike Wanner, verehelichte
Hauffe, war eines Försters Tochter und lebte (geb.
1801, gest. 1829) 2% Jahre im Hause Kernet9*. Ueber sie
hat Dr. Carl du Prel zum Kerner- Jubiläum eine im September
-Heft der „Sphin*" enthaltene, auch separat gedruckte
Studie erscheinen lassen: — „Justinus Kerner
und die Seherin von Prevorst. Mit einer photographischen
Aufnahme von Justinu* Kerner und Zeichnungen aus
*) Ueber ihn sehe man die vorhergehende kurze Notiz dieses Heftes.
Das Haus Kerner's war an die alte Stadtmauer von Weinsberg gebaut
, in deren Umfang sich noch ein alter (Faust-)Thmm befand. In
ihm schrieb der amerikamüde Lenau seinen „Savonarola".
**) Vgl. „Psych. Stud." September-Heft 1886 S. 436 ff.: »Emanuel
Geibel über Justinus Kerner.a — Weiteres in „Psych. Stud." 1877:
S. 185, 186, 2^0; 1876: S. 280« Auch spielte eine Spukgeschichte im
Amtsgefängniss von Weinsberg.
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