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S. R.: Einige Kritiker über Prof. Wundt's „Essays". 561
Setzungen nun werden entweder metaphysische oder
psychologische (empiristische) sein, die Erkenntnisstheorie
der dualistischen Gruppe demnach in metaphysische
und psychologische Erkenntnisstheorien zerfallen.
Als klassische Vertreter dieser zwei Unterabtheilungen
können Piaton (für die erstere) — Locke (für die letztere)
gelten, während vor allen als Vertreter des erkenntnisstheoretischen
Monismus und der reinen Erkenntnisstheorie
W. Schuppe („Erkenntnisstheoretische Logik", Bonn, bei
Eduard Weber, 1878) zu nennen ist. Die reine Erkenntnisstheorie
ist neuerem Ursprungs, denn, wenngleich sie in
Kant schon ihren Bahnbrecher gehabt hat, ist sie von
diesem grossen Denker noch nicht in voller Reinheit und
Klarheit herausgearbeitet worden/*' —
Rehmke weist nun Laas nach, dass er ein Philosoph
sei, der sich „von den Grrundansohauungen August Comtess
nicht seitab halten möchte", mithin „positivistisch" sei, mit
seiner Lehre nicht unter den Begriff der reinen Erkenntnisstheorie
, sondern unter den der psychologischen Erkenntnisstheorie
des erkenntnisstheoretischen Dualismus falle.
„Positivismus" nennt Laas seinen Standpunkt, eine Philosophie
, „die keine anderen Grundlagen anerkennt, als positive
Thatsachen, d. h. äussere und innere Wahrnehmungen
, welche von jeder Meinung fordert, dass sie die
Thatsachen, die Erfahrungen nachweise, auf denen sie
ruht" (Bd. I, 183). Positivismus statt positive, eigentlich
positivistische Thatsachen. „Wenn die Sache aber mit
den Thatsachen gar nicht so einfach läge, wie es den
Anschein haben mag!" wagt R. zu zweifeln. „Wenn 'die
äusseren und inneren Wahrnehmungen' nicht das
letzte Thatsächliche, sondern selbst noch etwas Auflösbares
wären, also doch nicht die 'Grundlage* der Philosophie
bilden könnten!" . . . „Man kennt ja das Zauberwort 'Erfahrung
', wie verlockend es ist und doch wie dunkel und
mannigfaltiger Deutung fähig! — Erfahrungen, Thatsachen
— Wirklichkeit: drei scheinbar gleiehdeutige Begriffe, die
aber als solche erst ihrer Erklärung harren. Es ist ja das
jedem denkenden Wesen eigenthümliehe Streben darauf
gerichtet, die Wirklichkeit zu besitzen, allen Irrthum abzuwerfen
und zu meiden, den Gebilden der Phantasie
keinen Einfiuss bei dem Bingen nach Wahrheit zu gestatten
. Will dies der Positivist, so wollen es mit ihm
alle Denkenden, heisst dies Positivismus, so schwört jeder
Forscher zu ihm. Doch dann bedürfte es ja für die Po-
sitivisten keiner kritischen Auseinandersetzung, da Alle mit
ihm Eines Geistes wären. So muss wohl hinter diesen
Psychlgche Studien. December 1880. 36
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