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Gessmann: Das Gedankenlesen.
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elektrische Strömungen vermitteln, und ist es daher auch
denkbar, dass bestimmte elektrische Strömungen in der
Molekülreihe (A) gleichartige, wenn auch schwächere
Strömuijgen in einer benachbarten gleichgebauten Molekülreihe
(Bl veranlassen, obwohl beide Molekülreihen durch
ein dielektrisches Medium, z. B. die Luft, von einander getrennt
bleiben.
„Die hier mitgetheilten physikalischen Anschauungen
lassen sich nunmehr mit gewissen physiologischen Annahmen
verknüpfen, deren Ausgangspunkt die nachstehenden That-
sachen bilden: —
„Schneidet man aus einem beliebigen Nervenstamme,
beziehungsweise aus einem parallel faserigen Muskel, mittelst
zweier senkrecht zur Axe geführten Schnitte einen Nerven«
resp. Muskelcylinder heraus und verbindet irgend eine
Stelle seiner Mantelfläche mit einer der beiden Endflächen
durch einen leitenden Draht, so zeigt der letztere einen
von der Mantelfläche za der betreffenden Endfläche fliessenden
elektrischen Strom. Dieselbe Erscheinung tritt ein,
wenn man aus jenem Nerven- beziehungsweise Muskelcylinder
durch Entfernung der oberflächlichen Schichten
einen zweiten von kleinerem Querschnitte herausschält und
eine beliebige Stelle der künstlich hergestellten Mantelfläche
mit einer der beiden Endflächen leitend verbindet. Hieran
knüpft sich zunächst der Schluss, dass die nicht isolir-
baren elementaren Nerven- und Muskelfasern, aus welchen
sich die untersuchten Nerven- und Muskelcylinder zusammensetzen
, bei gleicher Behandlung ebenfalls elektrische
Ströme liefern würden*) Betrachtet man nun im Anschlüsse
an die Physiologen Hermann**) Engelmann etc.
die eben besprochenen Erscheinungen als veranlasst durch
in Folge des Ausschneidens eintretende chemische Veränderungen
in der Substanz des untersuchten Nerven- resp.
Muskelcylinders, so liegt die Folgerung nahe, dass auch
jene chemischen Processe, welche jede Thätigkeit der
Nerven- und Muskelelemente begleiten, gleichzeitig bestimmte
elektrische Strömungen veranlassen,
„Der weitere Fortschritt unserer Betrachtungen erfordert
einen kurzen Hinweis auf gewisse Eigenthümlich-
keiten unserer Sinnesnerven und deren gegenwärtig übliche
Interpretation. Die Erfahrung lehrt nämlich, dass die Erregung
des Sehnerven immer nur Lichtempfindungen
*> S, hier z. B. Professor Dr. Wundt's „Lehrbuch der Physiologie
des Menschen". 4. Aufl., p. 510, 511.
**) Siehe das eben citirte Werk, p. 513.
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